Zurück zu Dokumente  Mumia Solidaritäts Index MSI [de]   22.03.2000 
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  Grußwort von Mesut Demirel zum Aktionstag des 18. März
 
 

Als einer der in Deutschland inhaftierten politischen Gefangenen grüße ich alle Freunde, die ihr Herz und ihren Verstand nicht hinter die Gitter des Imperialismus und Faschismus haben sperren lassen, in Freundschaft. Unter welchen Umständen, zu welcher Zeit und an welchem Fleck auf der Welt auch immer sind politische Gefangene niemals allein gewesen. Dies ist wohl auch eine Eigenschaft von politischer Gefangenschaft. Der Kampf drinnen und draußen, die Arbeit drinnen und draußen - soweit sie nicht behindert wurden - sind immer Hand in Hand gelaufen. Dass der 18. März als Aktionstag für die politischen Gefangenen fungiert, werten wir als ein Produkt dieser bis heute geleisteten Arbeit und einen weiteren Beitrag dazu. Wir, die Gefangenen und die Freunde draußen, glauben daran und wünschen uns, dass dies ein Schritt sein wird, der uns ein wenig mehr vereint und ein Stück weiter nach vorn bringen wird.

Heute und schon seit langem sind wir mit einer Realität konfrontiert, an der wohl keiner von uns Zweifel haben wird: Der Begriff „politische Gefangenschaft“ lässt sich nicht hinter Eisengitter sperren. Gleichwohl reicht es nicht aus, aus politischen Gründen in Haft geraten zu sein, um die Identität eines politischen Gefangenen zu besitzen. Daher bedeutet politische Gefangenschaft nicht, dass man sich drinnen vom Kampf und Widerstand draußen „erholt“ und genauso wenig, weil und damit es draußen eine Pflicht der „Solidarität“ gibt.

Wir haben einen gemeinsamen grundsätzlichen Punkt inne: der internationale Kapitalismus, also in seiner heutigen Form das moderne imperialistische Banditentum, will jegliche Art von Sehnsucht nach einer Welt ohne Ausbeutung und Repression im Keim ersticken und vernichten. Es spielt daher keine Rolle, ob man vor oder hinter dem Eisengitter ist. Wir alle sind das Ziel; alle Völker der Welt. Die Isolationszellen und die NATO-Bombardements haben nur ein Ziel: vom Kampf abbringen. Welche nationale oder politische Sprache wir auch sprechen mögen: Wir haben ein hauptsächliches gemeinsames Anliegen; nicht aufhören!

Komme was da wolle: Das Ideal der Völker wird leben und siegen. Das sagen zu können, ist drinnen und draußen der unserem Leben die Form gebende, wichtigste Punkt. Und hier liegt auch die Antwort auf die Frage: „Zerfall oder erhobenen Hauptes weiterkämpfen?“

So lange wir diese Entschlossenheit besitzen, werden wir die Stärke, die Gefangenschaft zu zerschlagen und draußen die Angriffe zurückzudrängen, nie verlieren. Niemals sind vier Wände, das „Alleinsein“ oder das Ausmaß der Angriffe ausschlaggebend. Es gibt nichts Mächtigeres als den menschlichen Willen. Wir wissen von vielen Beispielen unserer Genossen, was dieser Wille erreichen kann, auch wenn man allein ist. Dies ist die Stärke des Glaubens an die Richtigkeit und der Entschlossenheit.

In den vergangenen Monaten haben wir hauptsächlich in diesem Zusammenhang einen Widerstand erlebt. Unser Freund Ilhan Yelkuvan war als Todesfastenkämpfer an vorderster Stelle der Barrikade; er lief an erster Stelle. Und ein weiteres Mal gehörte der Sieg denjenigen, die gegen das Unrecht und die Kapitulation Widerstand geleistet haben. Wir glauben daran, dass das nicht nur für Ilhan, sondern für alle politischen Gefangenen in Deutschland eine weitere Eroberung ist. Natürlich spielte für den Erfolg die Solidarität von Freunden, die uns in Deutschland, der Türkei und vielen anderen Ländern der Welt unterstützt haben, eine wichtige Rolle. Und darauf sind wir sehr stolz.

Das von Ilhan begonnene Todesfasten bildet einen Teil der Widerstände in den deutschen Gefängnissen. Die unvergesslichen Widerstände von Holger (Meins - Red.) und seinen Genossen haben uns begleitet. In den Grundsteinen der Gefängnisse, in denen wir uns befinden, liegen die Widerstände der antifaschistischen Helden, die sich in den Konzentrationslagern des Nazi-Faschismus bis zum Tod zur Wehr setzten. Es wäre sehr falsch, sie zu einer „zu gedenkenden“ Vergangenheit zu reduzieren. Es sind gleichzeitig unsere 1984 und 1996 in den Todesfasten in der Türkei gefallenen Genossen, die uns Kraft gegeben haben. Die politische Gefangenschaft bildet gleichzeitig mit dem geschichtlichen Erbe eine Einheit.

Ich habe das kurz zusammengefasst, weil ich das als wichtigen Teil unseres gemeinsamen Sieges erachten.

Wir unterstützen von ganzem Herzen eine noch größere Zusammenarbeit und bestimmte Ziele, die sich um einen Kern bilden und auf konkrete Schritte aufbauen. Die Ideen von Gefangenen können im Vergleich zum praktischen Leben immer die Gefahr tragen, etwas abstrakter zu sein. Daher kann ich euch auch keine großen Vorschläge machen. Ich habe nur en paar kleine. Das erste wäre, Projekte bezüglich der Gefangenen zu vereinen und zentral laufen zu lassen. Diese Projekte müssen an Geschwindigkeit gewinnen. Nach meinem Wissen gibt es derartige Projekte seit Jahren. Das zweite wäre, mit anderen demokratischen Organisationen, speziell mit Gefangenenorganisierungen aus anderen Ländern, einen ständigen und nahe Austausch aufrecht zu erhalten. Denn auch dies ist wichtig, um Erfahrungen und Kraft zu sammeln. Wenn man hier zu kurz kommt, bedeutet das nicht nur, isoliert zu sein, sondern stellt auch die Solidarität mit den Gefangenen in ein zu simples Licht, lässt sie verarmen. Es lässt sich beispielsweise beobachten, dass in den folgenden Monaten in den Gefängnissen der Türkei Angriffe von großem Ausmaß durchgeführt werden. Die gefangenen sind hierauf vorbereitet. Soweit ich es aus Briefen entnehmen kann, werden die Angriffe, aber der Widerstand größere Dimensionen als bisher annehmen. Im Todesfasten 1996 gab es 12 Gefallene und Hunderte Verletzte. (...) Es hat seitdem (seit der Junta 1980 - Red.) einen permanenten Widerstand gegeben, der, die Todesfastenkämpfe eingeschlossen, unzählige Menschenleben und Opfer gekostet hat. Das letzte Beispiel war der Angriff vergangenen September auf das Gefängnis Ulucanlar in Ankara und der diesem entgegengesetzte Widerstand. Der Faschismus führte ein wahres Massaker durch und tötete zehn Gefangene auf grausamste Weise. Der Angriff wurde mit einem Widerstand in allen Gefängnissen vorübergehend zerschlagen. (Unter den Gefallenen befanden sich auch Freunde, mit denen ich einen Briefwechsel hatte.)

Zuletzt würde ich noch einige praktische Vorschläge haben: Mit den Gefangenen auf konkrete Art und Weise ein Netz der Solidarität organisieren. Beispielsweise Briefwechsel, Besuche, Informationen und Publikationen verschicken, sich als Pflichtverteidiger benennen, Prozessbeobachtung etc. ...

Ich grüße noch einmal alle von ganzem Herzen und wünsche Euch viel Erfolg.

Die Freiheit liegt in unseren Händen. Wir sind im Recht, wir werden siegen.

 
Aus dem Angehörigen Info Nr. 231 vom 18.3.2000
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