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  Partydemo vom 16.12.2000 und die darauf folgenden faschistischen Übergriffe
Presseerklärung
 
 

Sehr geehrte Damen und Herren,

am Samstag, den 16.12.2000, fand in Merseburg eine Demonstration unter dem Motto "Für ein neues, faires Gerichtsverfahren für Mumia Abu-Jamal! Weg mit der Todestrafe" statt. Aktueller Anlass war die mittlerweile bestätigte Wahl von Georg W. Bush zum Präsidenten der USA. Dieser ist nicht nur öffentlicher Befürworter der Todesstrafe, sondern war auch der US-Gouverneur, der beispielsweise 1999 mehr Todesurteile unterzeichnet hat, als alle anderen Gouverneure der Vereinigten Staaten zusammen.

Der afroamerikanische Bürgerrechtler und Journalist Mumia Abu-Jamal wurde wegen des Mordes an dem Polizisten David Faulkner in einem unfairen und politisch brisanten Verfahren zum Tode verurteilt und sitzt seit nunmehr 18 Jahren im Bundesstaat Pennsylvania in der Todeszelle. UnterstützerInnen von Mumia Abu-Jamal aus aller Welt erwarten nun in den nächsten Wochen die Entscheidung von Bundesrichter W. Yohn, ob Mumia Abu-Jamal endlich die Chance gewährt wird, seine Unschuld in einem fairen Gerichtsverfahren beweisen zu dürfen.

Gleichzeitig ist es aber auch unser Anliegen, auf akute Problemfelder der deutschen Ausländer- und Asylpolitik aufmerksam zu machen. So werden Flüchtlinge in Deutschland mit einer in Europa einmaligen Beschränkung ihrer Bewegungsfreiheit durch die sog. "Residenzpflicht", die sie zwingt, den ihnen zugewiesenen Landkreis bzw. Regierungsbezirk in der Regel nicht verlassen zu dürfen, in ihren grundlegenden Menschenrechten eingeschränkt und kriminalisiert.

Wir wollen in Anbetracht der politischen und öffentlichen Debatte um die Bekämpfung von Rechtsextremismus thematisieren, dass diese nicht ohne eine kritische und konstruktive Debatte um die deutsche Flüchtlings- und Integrationspolitik erfolgversprechend zu führen ist. Im Zuge dessen machten wir auch auf den Fall des nigerianischen Oppositionellen und Menschenrechtlers Akubuo Chukwudi aufmerksam, der, trotz der für ihn lebensbedrohlichen Situation, nach Nigeria abgeschoben werden soll (nähere Informationen unter www.humanrights.de).

Einerseits war unser Anliegen die Sensibilisierung der Öffentlichkeit für diese aktuellen politischen Problematiken, andererseits ging es uns aber auch um das Interesse der Jugend an Politik und das Herantragen alternativer Kultur an die Merseburger Bevölkerung. Deshalb hatte die Demonstration auch den Charakter eines Festumzugs mit Musik und Tanzen auf der Strasse.

Doch schon zu Beginn der Veranstaltung gegen 14.45 Uhr provozierten 30-40 offensichtlich der rechten Szene zugehörigen Personen auf dem Kundgebungsplatz die ankommenden VeranstaltungsteilnehmerInnen mit Sprüchen wie "Wir kriegen Euch alle" und "Ihr Zeckenschweine". Einige DemonstrationteilnehmerInnen fühlten sich dadurch eingeschüchtert. Die VeranstalterInnen machten die anwesenden Polizeibeamten mehrmals darauf aufmerksam und baten sie darum, die Neonazis von unserem Kundgebungsplatz zu verweisen. Dies erfolgte jedoch nicht. So war es den Neonazis sogar möglich, die TeilnehmerInnen zu filmen und dadurch weiter einzuschüchtern. Der Staatsschutz begrüßte mehrere der Neonazis nicht nur mit einem Lächeln und mit Handschlag sondern auch mit unterstützenden Schulterklopfen. Die Szenen ähnelten verwandtschaftlichen Verhältnissen.

Nachdem sich der Demonstrationszug mit ca. 180 zumeist jugendlichen TeilnehmerInnen in Bewegung setzte, verließen die Rechtsextremisten vorerst die Demo- Route. Zunächst war die Stimmung der Party- Demo durch diese Provokationen und die Störversuche der Rechten getrübt. Im Laufe des Umzuges konnte jedoch - zumindest zum Teil - der Partycharakter dieser Veranstaltung genossen werden.

Die Veranstaltung, welche direkt auf dem Kliaplatz enden sollte, musste jedoch aufgrund der mitttlerweile auf ca. 50 Personen angewachsenen rechten, skandierenden Meute kurz davor abgebrochen werden. Nach Beendigung der Veranstaltung auf dem Kliaplatz wurden die noch anwesenden TeilnehmerInnen jetzt aus einer angewachsenen Gruppe von Neonazis zunächst verbal bedroht. Die ca. 15 PolizeibeamtInnen waren mit der Situation überfordert und statt den Nazis Platzverweise auszusprechen, beleidigte sie linke Jugendliche ("Ihr kotzt uns sowieso an!", "Warum macht Ihr auch so nen Quatsch?", "Verpisst Euch hier!"). Daraufhin kam es zu Rangeleien zwischen einigen DemonstrantInnen und PolizeibeamtInnen.

Beim Verlassen des Versammlungsorts wurden mindestens vier Personen durch Neonazis angegriffen und zum Teil erheblich verletzt (Anzeigen wurden bereits erstattet), da sich die Polizei nicht veranlasst sah, die DemonstrationsteilnehmerInnen zu eskortieren oder vor Ort zu bleiben, bis sich die rechtsgerichteten Jugendlichen entfernt hätten.

Eine Person, die einem jungen Hip Hopper zur Hilfe eilte, der von vier Neonazis geschlagen und getreten wurde, wurde ebenfalls verletzt. Drei PolizeibeamtInnen, die kurz darauf zu Hilfe kamen, wirkten aufgrund der aufgeheizten Situation überfordert und liesen schliesslich den Angegriffenen auf das Polizeirevier in Sicherheit bringen. Trotz mehrfacher Bitte um die Aufnahme der Personalien der beteiligten Schläger wurde diese nicht veranlasst.

Festzuhalten bleibt, dass die Polizei nach der Veranstaltung wieder einmal nicht in der Lage war, die DemonstrationsteilnehmerInnen zu schützen. Die Demonstration hat erneut gezeigt, wie weit die Tolerierung und offensichtliche Unterschätzung und Bagatellisierung rechter Gruppierungen seitens der Merseburger Polizei fortgeschritten ist. Es ist somit mittlerweile die dritte Veranstaltung in diesem Jahr, die aufgrund rechtsgerichteter, gewaltbereiter Jugendlicher und durch das Fehlverhalten der Polizei mit Ausschreitungen und/oder Körperverletzungen endete.

Für Rückfragen stehen wir Ihnen gerne unter der Telefonnummer 0177/ 6 28 51 72 zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüssen

Mumia Abu-Jamal UnterstützerInnengruppe Merseburg

 
Mumia Abu-Jamal UnterstützerInnengruppe Merseburg
PF 15 36
06217 Merseburg
mumia-msbg@firemail.de

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