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Verstrickt in Lügennetz
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Was macht eine Staatsanwaltschaft, die zusehen muß, wie das Lügengebäude ihrer Anklage gegen einen Delinquenten Stück für Stück zusammenbricht? Sie gibt sich entweder geschlagen, läßt den Mann frei - oder sie schlägt um sich und verstrickt sich immer tiefer in ihr Lügennetz. Letzteres ist die verzweifelte Strategie der Bezirksstaatsanwaltschaft von Philadelphia, die mittlerweile vor einem Trümmerhaufen ihrer ehemaligen »Beweise« steht und sich nun mit der Anschuldigung konfrontiert sieht, sie habe bewußt und mit gefälschten Dokumenten die Lüge verbreitet, eine der Hauptbelastungszeuginnen gegen Mumia Abu-Jamal, die Prostituierte Cynthia White, sei vor zehn Jahren verstorben.
Die Zeugin White hatte 1982 im Prozeß ausgesagt, mit eigenen Augen gesehen zu haben, wie Mumia Abu-Jamal am 9. Dezember 1981 den Polizeibeamten Daniel Faulkner erschossen hat. Schon seit 1992 hat Abu-Jamals damaliges Verteidigungsteam versucht, diese Zeugin erneut zu befragen. Doch trotz der aufwendigen Suche durch Privatdetektive blieb sie unauffindbar. Für die Staatsanwaltschaft war Cynthia White bereits 1992 verstorben. Die Zeugin Pamela Jenkins hingegen sagte 1997 vor Gericht aus, sie habe ihre ehemalige Freudin Cynthia am 5. März des Jahres in Philadelphia zufällig auf der Straße getroffen, woraufhin White sich in das Auto ihres Begleiters geflüchtet habe, den Jenkins als ehemaligen Polizeibeamten kannte. Doch die Staatsanwaltschaft blieb bei ihrer Version: »Sie [Jenkins] kann Cynthia White gar nicht kürzlich gesehen haben, da diese bereits 1992 verstorben ist.« Rechtsanwalt Leonard Weinglass setzte im September 1997 auf einer Veranstaltung im Bremer DGB-Haus die Einschätzung des damaligen Verteidigungsteams dagegen: »Wir gehen davon aus, daß Cynthia White von der Polizei versteckt gehalten wird und mit einer neuen Legende ausgestattet wurde, um zu verhindern, daß ihre Aussage in einer erneuten Vernehmung erschüttert werden könnte.« Nachdem die Verteidigung bereits am 6. Februar beim 3. Bundesberufungsgericht in Pennsylvania mit der Aussage der Zeugin Yvette Williams nachgewiesen hat, daß White 1982 unter Todesangst falsch gegen Abu-Jamal ausgesagt hat, reichte Rechtsanwalt Eliot Grossman nun am Montag beim selben Gericht und am Dienstag beim Obersten Gerichtshof Pennsylvanias einen weiteren brisanten Antrag ein. Darin wird der Staatsanwaltschaft vorgeworfen, daß sie den Tod von Cynthia White unter Vorlage falscher Dokumente zu belegen versucht hat. Der Anklagevertreter habe 1997 in einer Anhörung wegen Abu-Jamals Wiederaufnahmeantrag drei zusammengeheftete kopierte Seiten als offizielle Sterbeurkunde New Jerseys vorgelegt. Als Name sei »Cynthia Williams alias Mildred Saunders« vermerkt gewesen, und nun sei erwiesen, daß die für diese Person angegebene Sozialversicherungsnummer in Wirklichkeit zu einer Frau namens Migdalia Cruz, geboren 1957 in Puerto Rico, gehörte. Als der zuständige Staatsanwalt in der Anhörung aufgefordert wurde, die Identität der Verstorbenen anhand ihrer Fingerabdrücke nachzuweisen, habe er einen Polizisten aus New Jersey in den Zeugenstand gerufen, der eine Karteikarte mit den Fingerabdrücken der vermeintlich Verstorbenen vorlegte. Der Beamte habe allerdings im Kreuzverhör einräumen müssen, daß diese Fingerabdrücke nicht mit denen von Cynthia White identisch waren. Schon damals sei also klar gewesen, daß die Tote nicht Cynthia White sein konnte. Die Verteidigung Abu-Jamals greift nun die Bezirksstaatsanwaltschaft von Philadelphia an, sie habe in ihrer Verzweiflung darüber, keine Beweismittel mehr gegen Abu-Jamal in der Hand zu haben, diesen Schwindel der Sterbedokumente erneut dem Bundesberufungsgericht zu den Akten gegeben. Und zwar um zu verhindern, daß sich die zuständige Richterin des Amtsgerichts, Pamela Dembe, auf Antrag der Verteidigung mit der Aussage von Yvette Williams befaßt. Frei nach dem Motto: Für die Staatsanwaltschaft ist Cynthia White tot, also ist die Aussage von Williams gegenstandslos und Whites belastende Falschaussage von Juni 1982 bleibt unangetastet in den Akten. Rechtsanwalt Michael Yamamoto, bis zu seiner Pensionierung Präsident der kalifornischen Anwaltskammer und jetzt vom Obersten Gerichtshof Kalifoniens in eine Kommission zur Verbesserung der Arbeit der Schwurgerichte berufen, schrieb zu diesen Entwicklungen eine Petition an das Bundesberufungsgericht in Philadelphia. Darin stellt er fest, seine neutrale Sichtung der alten und neuen Beweislage lasse nur den Schluß zu, daß Mumia Abu-Jamal »zu unrecht verurteilt wurde, basierend auf Aussagen unglaubwürdiger Zeugen, die allesamt entweder selber verdächtig waren oder nachweislich falsch ausgesagt haben«. Yamamoto kommt zu dem Schluß, die neue Beweislage bekräftige »auf überwältigende Weise« Mumia Abu-Jamals Unschuld. * Ende März erscheint im Atlantik-Verlag das Buch »Free Mumia« |
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Aus: Tageszeitung junge Welt vom 15.03.2002 Weiterführende Links:
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