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Bürgermeister Bertrand Delanoe verleiht am Samstag, 4. Oktober 2003, in einem Festakt im Rathaus von Paris die Ehrenbürgerschaft seiner Stadt an den zum Tode verurteilten Journalisten und Bürgerrechtler Mumia Abu-Jamal aus Philadelphia. Da der neue Ehrenbürger der französischen Metropole den Todestrakt in Pennsylvania nicht verlassen darf, nimmt die Bürgerrechtlerin Prof. Angela Davis die Ehrenmedaille in Vertretung für ihn entgegen. Etwa 300 geladene Gäste nehmen an der feierlichen Übergabe teil. Da weitaus mehr Menschen erwartet werden als der Saal fassen kann, hat die französische Sektion der internationalen Kampagne in Zusammenarbeit mit dem Bürgermeisteramt dafür gesorgt, daß die Veranstaltung über Lautsprecher nach draußen übertragen wird.
Paris ist eine von zwanzig Städten in Frankreich, die wie zahlreiche weitere in Italien, Dänemark und angrenzenden europäischen Ländern mit der Verleihung der Ehrenbürgerschaft das deutliche Signal nach Washington und Pennsylvania senden wollen, daß man nicht tatenlos zusehen will, wie der beliebte Radiojournalist, radikale Verfechter der Menschenrechte und scharfe Kritiker der aktuellen US-Kriegspolitik mit der Giftspritze ermordet wird.
Die französische Kampagne setzt sich seit Jahren für die Freilassung von Mumia Abu-Jamal ein und hat ihn vor kurzem noch mit einer großen Delegation besucht. Große Begeisterung hat unter den Aktiven die Nachricht ausgelöst, daß Angela Davis zum Festakt in Paris sein kann, um die Ehrenmedaille in Empfang zu nehmen und anschließend in die USA zu bringen. Die in Paris lebende afroamerikanische Schriftstellerin Julia Wright, die seit Jahren unermüdlich für Mumia Abu-Jamals Sache eintritt, nennt Davis die »Botschafterin des Kampfes um Mumias Freiheit«. Mit ihr werden auch Robert Bryan, Mumia Abu-Jamals Verteidiger aus San Francisco, und Pam Africa, Sprecherin der MOVE-Organisation aus Philadelphia, an die Seine kommen. Sie werden zusammen mit Julia Wright nach der Verleihung in einer öffentlichen Veranstaltung zu Mumia Abu-Jamals Situation politisch Stellung nehmen. Sie werden auch auf die allgemeine Situation in den Todestrakten und Gefängnissen eingehen und daran erinnern, daß es in den USA viele politische Gefangene gibt, die wie Mumia Abu-Jamal für eine Veränderung der gesellschaftlichen Verhältnisse eintreten. Angela Davis wird dabei auch auf ihre eigenen Erfahrungen zurückgreifen können. Sie war Anfang der 70er Jahre wegen der Beschuldigung, eine Gefangenenbefreiung unterstützt zu haben, zunächst landesweit in den USA vom FBI gejagt und schließlich verhaftet worden. Sie stand unter Mordanklage und hätte zum Tode oder zu lebenslanger Haft verurteilt werden können, wenn nicht eine weltweite und nach Millionen zählende Solidaritätsbewegung in Ost und West ihre Freiheit erkämpft hätte.
Zur Feier ins Rathaus wurde auch eine kleine Delegation aus Deutschland eingeladen, zu der zwei Landesvorstandsmitglieder der Vereinigung der Verfolgten des Nazi-Regimes/Bund der Antifaschisten (VVN/BdA) gehören sowie drei Delegierte des Bundestreffens der Untertstützungskomitees, die seit Anfang der 90er Jahre für Mumia Abu-Jamals Freilassung und für die Abschaffung der Todesstrafe eintreten. Liliane Leible von der VVN/BdA sagte gegenüber junge Welt, es sei für ihre Organisation eine Ehre, an der Feier teilnehmen zu können. Die VVN/BdA hatte 2002 anläßlich ihres Ost-West-Vereinigungskongresses beschlossen, Mumia Abu-Jamal zum Ehrenmitglied der Organisation zu ernennen. Im Jahr zuvor hatte Peter Gingold, antifaschistischer Widerstandskämpfer und von den Nazis zum Tode verurteilt, bei der Erich-Mühsam-Preisverleihung in Lübeck gesagt: »Es ist mir eine Ehre, und ich möchte mich dafür bedanken, daß ich dazu auserkoren wurde, stellvertretend für Mumia Abu-Jamal den Preis hier entgegenzunehmen. Ich sehe das in erster Linie als eine Würdigung der unermesslichen Opfer des Nazi-Faschismus, der so viele , die in den Todeszellen saßen, erschossen, gehängt, mit Spritzen und Gas in den Tod gejagt hat. Ich denke heute an diese Menschen. Und wir alle wären glücklich, wenn an meiner Stelle hier Mumia Abu-Jamal diesen Preis selber hätte entgegennehmen können. Er wird, ich hoffe es sehr, bald unter uns sein können. Es sind ja seine Worte, daß die Solidarität ihn vom Tod ins Leben bringen wird. Und diese Solidarität, die gilt es zu entfalten.«
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