Links  Mumia Solidaritäts Index MSI [de]   14.10.1999
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Die Situation von Mumia Abu Jamal nach dem neuen Hinrichtungsbefehl und der neuerlichen Petition an das Bundesgericht
Von C. Clark Kissinger, cck1@earthlink.net
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Die folgende, kurze Zusammenfassung von Mumia Abu Jamals gegenwärtiger juristischer Situation richtet sich an alle Aktivisten, die mit der Solidaritätsarbeit für ihn befasst sind. Sie erklärt, warum das Hauptaugenmerk jetzt auf die Forderung nach einer Anhörung Mumia Abu Jamals vor dem Bundesgericht auf Bezirksebene in Philadelphia gerichtet werden muß, wo er um eine Wiederaufnahme seines Prozesses aus dem Jahre 1982 kämpfen könnte.

Wird Mumia am 2. Dezember hingerichtet werden ?
Nein, aber sein Leben ist in großer Gefahr. Nachdem Mumia Abu Jamal im Bundesgericht auf Bezirksebene in Philadelphia am 15. Oktober eine Petition für einen neuen Prozeß eingereicht hat, ist es so gut wie sicher, daß die Hinrichtung aufgeschoben wird. Aufgeschoben ist jedoch nicht aufgehoben, der Aufschub dient nur dazu, daß der Bundesrichter in Philadelphia die Petition vom 15. Oktober begutachten kann. Mumia lebt weiterhin unter dem Damokleschwert des Hinrichtungsbefehls, und die aufschiebende Wirkung der Petition wird enden, sobald der Bundesrichter über sie entschieden hat. Gouverneur Ridge unterzeichnete den Hinrichtungsbefehl im vollen Bewußtsein der Tatsache, daß die Einreichung von Mumias Petition nur eine Frage von Tagen sein, und daß diese Petition mit hoher Wahrscheinlichkeit eine aufschiebende Wirkung haben würde. Er betreibt hier politisches Theater, das das Publikum irreführen und die Gerichte unter Druck setzen soll.

Warum ist Mumias neue Petition wichtig ?
Wir befinden uns an einem kritischen Punkt im gesamten Berufungsverfahren. Ein Bundesrichter auf Bezirksebene ist aufgefordert worden, eine Anhörung zu Mumias Petition auf Gewährung von Habeas Corpus zu veranstalten. Das Habeas Corpus-Verfahren (habeas corpus = Latein für "bringe den Körper") stammt aus dem englischen Gemeinrecht, in dem es eine Aufforderung an ein Gericht bezeichnete, die königliche Verhaftung eines Menschen auf ihre Rechtmäßigkeit zu prüfen. Wenn dem Verlangen entsprochen wurde, befahl das Gericht dem königlichen Sheriff, den "Körper vor Gericht zu bringen" und die Verhaftung zu rechtfertigen. Diese Praxis entwickelte sich zu einem Justizverfahren in den USA, in dem Bundesgerichte aufgefordert werden, die Strafverfahren von Staatsgerichten auf ihre Rechtmäßigkeit zu überprüfen. Das bedeutet, daß die Gerichte der Bundesstaaten kein absolutes Recht zur Hinrichtung oder Inhaftierung von Verurteilten besitzen.

Warum ist diese spezielle Anhörung so wichtig ?
Bis jetzt haben alle Anhörungen vor Gerichten des Justizsystems von Pennsylvania stattgefunden, und wurden immer von Richter Sabo geleitet. Sabo lehnte routinemäßig Beweisanträge ab und lehnte die Vorladung wichtiger Entlastungszeugen ab. Sabos Verhalten wurde im Nachhinein durch den obersten Gerichtshof Pennsylvanias gerechtfertigt, dessen Richter in der überwiegenden Mehrzahl durch den Fraternal Order of Police1 unterstützt werden. Daher wäre eine Anhörung vor einem Bundesgericht auf Bezirksebene Mumias ERSTE Möglichkeit, die Beweislage sichten und überprüfen zu lassen. Sie wäre seine LETZTE Möglichkeit, die Fakten und Zeugen ins Spiel zu bringen, die die Staatsgerichte von Pennsylvania nicht zulassen wollten. Nach dem Bundesgericht auf Bezirksebene werden alle höheren Instanzen der Bundesgerichtsbarkeit nur die Aktenlage sichten - sie werden keine neuen Beweisanträge zulassen.

Wie wirken sich die neuen Bundesgesetze auf Berufungsverfahren gegen die Todesstrafe aus ?
Es besteht folgende Gefahr: Der Bundesrichter auf Bezirksebene, dem dieser Fall zugeteilt wird, muß Mumia keine Anhörung gewähren. Er könnte einfach die Nachschriften der vorherigen Prozesse lesen, die die Staatsgerichte Pennsylvanias gegen Mumia geführt haben und eine Entscheidung treffen. Tatsächlich soll der Effective Death Penalty Act (EDPA) von 19962 Bundesgerichte davon abhalten, Todesstrafen, die von Staatsgerichten verhängt worden sind, zu überprüfen oder gar zu kassieren. Deswegen ist öffentliche Aufmerksamkeit für Mumia so wichtig. Von der Bundesregierung muß laut und öffentlich verlangt werden, daß Mumia angehört wird, damit die Fakten auf den Tisch kommen, die einen neuen Prozeß für Mumia rechtfertigen.
Der Effektive Death Penalty Act schmälert das Bundesrecht auf Habeas Corpus-Verfahren empfindlich. Unter dem Vorwand des "Föderalismus" versuchen dieses neue Gesetz und andere neuere Entscheidungen des obersten Bundesgerichtshofs den Schuldsprüchen von Staastgerichten Endgültigkeit zu verleihen und sie der Überprüfung durch die Bundesgerichte zu entziehen. "Föderalismus" ist in diesem Sinn nur ein neuer Markenname für den Begriff von der "Bundestaatlichen Hoheit", der eine Überprüfung von Gerichtsentscheidungen in den Südstaaten der USA durch die Bundesgerichte unterbinden sollte. Diese Möglichkeit der Überprüfung durch Bundesgerichte war eine Kernerrungenschaft der Bürgerrechtsbewegung, die die Regierung jetzt gerne rückgängig machen möchte. Dieser Versuch muß öffentlich gemacht werden.

Was folgt aus der Ablehnung von Mumias Antrag an den Obersten Bundesgerichtshof am 4. Oktober ?
Zu einem früheren Zeitpunkt in diesem Jahr forderten Mumias Verteidiger den obersten Bundesgerichtshof der USA auf, einen sogenannten "writ of certiorari" auszustellen. Das ist ein Entscheid, mit der der oberste Bundesgerichtshof den Fall an sich ziehen würde, bevor er sich im normalen Habeas Corpus-Verfahren durch die Instanzen gezogen hat. Manchmal fällt der oberste Gerichtshof diesen Bescheid, wenn wichtige juristische Fragen betroffen sind. In Mumias Fall wurde der oberste Gerichtshof zu entscheiden aufgerufen, ob es verfassungsgemäß war, ihm das Recht zu verweigern, im Gericht als sein eigener Verteidiger aufzutreten und ihn von der Verhandlung auszuschließen, als er gegen diese Entscheidung protestierte3. Durch die Ablehnung dieser Petition bringt das oberste Bundesgericht zum Ausdruck, daß es sich im Moment mit dieser Frage nicht beschäftigen wird - der Fall wird zuerst seinen Weg durch die Instanzen nehmen müssen. Das oberste Bundesgericht fällte damit KEINE Entscheidung in der Sache.

Was passiert wenn der Bundesrichter auf Bezirksebene Mumia einen neuen Prozeß verweigert (also ein Habeas Corpus-Verfahren ablehnt) ?
Wenn der Bundesrichter auf Bezirksebene gegen ihn entscheidet, wird Mumia in der nächsten Instanz Berufung einlegen. Wenn der Bundesrichter für ihn entscheidet, wird sicherlich der Staat von Pennsylvania in der nächsten Instanz Berufung einlegen. Die Bundesgerichtsbarkeit in Philadelphia wird also auf jeden Fall im nächsten Jahr zwei Entscheidungen fällen (nämlich auf der Ebene des Bundesbezirksgerichts und der nächsthöheren Instanz)
Die Verfahren bei den Bundesgerichten werden viel schneller abgeschlossen als bei bundesstaatlichen Gerichten. Wir sind bei der abschließenden Phase im Kampf um Mumias Leben angelangt. Einer größeren Dringlichkeit der Lage müssen wir unsere größere Entschlossenheit entgegensetzen.

Anmerkungen:

  1. Fraternal Order of Police:
    Der Fraternal Order of Police oder "Brüderliche Polizeiorden" ist eine rechtsradikale Polizeigewerkschaft, die hinter den Kulissen sehr eifrig für die Hinrichtung Mumia Abu Jamals arbeitet, Anm. MH
  2. Effective Death Penalty Act (EDPA) von 1996:
    Bundesgesetz zur Beschleunigung von Verfahren, die mit der Todesstrafe zu tun haben, Anm. MH
  3. ...als er gegen diese Entscheidung protestierte.:
    Meines Wissens stammt der betreffende Vorfall aus dem ursprünglichen Mordprozeß von 1982, Anm. MH
 
Quelle:
Antifa Info Bulletin Nr. 220
http://burn.ucsd.edu/~aff/afib-new.html de.alt.soc.antifa
Übersetzung: Marcus Hammerschmitt
MSI eigene Quelle bei Refuse&Resist


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