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Die folgende, kurze Zusammenfassung von Mumia Abu Jamals gegenwärtiger
juristischer Situation richtet sich an alle Aktivisten, die mit der Solidaritätsarbeit
für ihn befasst sind. Sie erklärt, warum das Hauptaugenmerk jetzt auf
die Forderung nach einer Anhörung Mumia Abu Jamals vor dem Bundesgericht
auf Bezirksebene in Philadelphia gerichtet werden muß, wo er um eine Wiederaufnahme
seines Prozesses aus dem Jahre 1982 kämpfen könnte.
Wird Mumia am 2. Dezember hingerichtet werden ?
Nein, aber sein Leben ist in großer Gefahr. Nachdem Mumia Abu Jamal
im Bundesgericht auf Bezirksebene in Philadelphia am 15. Oktober eine
Petition für einen neuen Prozeß eingereicht hat, ist es so gut wie sicher,
daß die Hinrichtung aufgeschoben wird. Aufgeschoben ist jedoch nicht aufgehoben,
der Aufschub dient nur dazu, daß der Bundesrichter in Philadelphia die
Petition vom 15. Oktober begutachten kann. Mumia lebt weiterhin unter
dem Damokleschwert des Hinrichtungsbefehls, und die aufschiebende Wirkung
der Petition wird enden, sobald der Bundesrichter über sie entschieden
hat. Gouverneur Ridge unterzeichnete den Hinrichtungsbefehl im vollen
Bewußtsein der Tatsache, daß die Einreichung von Mumias Petition nur eine
Frage von Tagen sein, und daß diese Petition mit hoher Wahrscheinlichkeit
eine aufschiebende Wirkung haben würde. Er betreibt hier politisches Theater,
das das Publikum irreführen und die Gerichte unter Druck setzen soll.
Warum ist Mumias neue Petition wichtig ?
Wir befinden uns an einem kritischen Punkt im gesamten Berufungsverfahren.
Ein Bundesrichter auf Bezirksebene ist aufgefordert worden, eine Anhörung
zu Mumias Petition auf Gewährung von Habeas Corpus zu veranstalten. Das
Habeas Corpus-Verfahren (habeas corpus = Latein für "bringe den Körper")
stammt aus dem englischen Gemeinrecht, in dem es eine Aufforderung an
ein Gericht bezeichnete, die königliche Verhaftung eines Menschen auf
ihre Rechtmäßigkeit zu prüfen. Wenn dem Verlangen entsprochen wurde, befahl
das Gericht dem königlichen Sheriff, den "Körper vor Gericht zu bringen"
und die Verhaftung zu rechtfertigen. Diese Praxis entwickelte sich zu
einem Justizverfahren in den USA, in dem Bundesgerichte aufgefordert werden,
die Strafverfahren von Staatsgerichten auf ihre Rechtmäßigkeit zu überprüfen.
Das bedeutet, daß die Gerichte der Bundesstaaten kein absolutes Recht
zur Hinrichtung oder Inhaftierung von Verurteilten besitzen.
Warum ist diese spezielle Anhörung so wichtig ?
Bis jetzt haben alle Anhörungen vor Gerichten des Justizsystems von Pennsylvania
stattgefunden, und wurden immer von Richter Sabo geleitet. Sabo lehnte
routinemäßig Beweisanträge ab und lehnte die Vorladung wichtiger Entlastungszeugen
ab. Sabos Verhalten wurde im Nachhinein durch den obersten Gerichtshof
Pennsylvanias gerechtfertigt, dessen Richter in der überwiegenden Mehrzahl
durch den Fraternal Order
of Police1 unterstützt werden. Daher
wäre eine Anhörung vor einem Bundesgericht auf Bezirksebene Mumias ERSTE
Möglichkeit, die Beweislage sichten und überprüfen zu lassen. Sie wäre
seine LETZTE Möglichkeit, die Fakten und Zeugen ins Spiel zu bringen,
die die Staatsgerichte von Pennsylvania nicht zulassen wollten. Nach dem
Bundesgericht auf Bezirksebene werden alle höheren Instanzen der Bundesgerichtsbarkeit
nur die Aktenlage sichten - sie werden keine neuen Beweisanträge zulassen.
Wie wirken sich die neuen Bundesgesetze auf Berufungsverfahren gegen
die Todesstrafe aus ?
Es besteht folgende Gefahr: Der Bundesrichter auf Bezirksebene, dem dieser
Fall zugeteilt wird, muß Mumia keine Anhörung gewähren. Er könnte einfach
die Nachschriften der vorherigen Prozesse lesen, die die Staatsgerichte
Pennsylvanias gegen Mumia geführt haben und eine Entscheidung treffen.
Tatsächlich soll der Effective Death
Penalty Act (EDPA) von 19962 Bundesgerichte
davon abhalten, Todesstrafen, die von Staatsgerichten verhängt worden
sind, zu überprüfen oder gar zu kassieren. Deswegen ist öffentliche Aufmerksamkeit
für Mumia so wichtig. Von der Bundesregierung muß laut und öffentlich
verlangt werden, daß Mumia angehört wird, damit die Fakten auf den Tisch
kommen, die einen neuen Prozeß für Mumia rechtfertigen.
Der Effektive Death Penalty Act schmälert das Bundesrecht auf Habeas Corpus-Verfahren
empfindlich. Unter dem Vorwand des "Föderalismus" versuchen dieses neue
Gesetz und andere neuere Entscheidungen des obersten Bundesgerichtshofs
den Schuldsprüchen von Staastgerichten Endgültigkeit zu verleihen und
sie der Überprüfung durch die Bundesgerichte zu entziehen. "Föderalismus"
ist in diesem Sinn nur ein neuer Markenname für den Begriff von der "Bundestaatlichen
Hoheit", der eine Überprüfung von Gerichtsentscheidungen in den Südstaaten
der USA durch die Bundesgerichte unterbinden sollte. Diese Möglichkeit
der Überprüfung durch Bundesgerichte war eine Kernerrungenschaft der Bürgerrechtsbewegung,
die die Regierung jetzt gerne rückgängig machen möchte. Dieser Versuch
muß öffentlich gemacht werden.
Was folgt aus der Ablehnung von Mumias Antrag an den Obersten Bundesgerichtshof
am 4. Oktober ?
Zu einem früheren Zeitpunkt in diesem Jahr forderten Mumias Verteidiger
den obersten Bundesgerichtshof der USA auf, einen sogenannten "writ of
certiorari" auszustellen. Das ist ein Entscheid, mit der der oberste Bundesgerichtshof
den Fall an sich ziehen würde, bevor er sich im normalen Habeas Corpus-Verfahren
durch die Instanzen gezogen hat. Manchmal fällt der oberste Gerichtshof
diesen Bescheid, wenn wichtige juristische Fragen betroffen sind. In Mumias
Fall wurde der oberste Gerichtshof zu entscheiden aufgerufen, ob es verfassungsgemäß
war, ihm das Recht zu verweigern, im Gericht als sein eigener Verteidiger
aufzutreten und ihn von der Verhandlung auszuschließen, als
er gegen diese Entscheidung protestierte3.
Durch die Ablehnung dieser Petition bringt das oberste Bundesgericht zum
Ausdruck, daß es sich im Moment mit dieser Frage nicht beschäftigen wird
- der Fall wird zuerst seinen Weg durch die Instanzen nehmen müssen. Das
oberste Bundesgericht fällte damit KEINE Entscheidung in der Sache.
Was passiert wenn der Bundesrichter auf Bezirksebene Mumia einen neuen
Prozeß verweigert (also ein Habeas Corpus-Verfahren ablehnt) ?
Wenn der Bundesrichter auf Bezirksebene gegen ihn entscheidet, wird Mumia
in der nächsten Instanz Berufung einlegen. Wenn der Bundesrichter für
ihn entscheidet, wird sicherlich der Staat von Pennsylvania in der nächsten
Instanz Berufung einlegen. Die Bundesgerichtsbarkeit in Philadelphia wird
also auf jeden Fall im nächsten Jahr zwei Entscheidungen fällen (nämlich
auf der Ebene des Bundesbezirksgerichts und der nächsthöheren Instanz)
Die Verfahren bei den Bundesgerichten werden viel schneller abgeschlossen
als bei bundesstaatlichen Gerichten. Wir sind bei der abschließenden Phase
im Kampf um Mumias Leben angelangt. Einer größeren Dringlichkeit der Lage
müssen wir unsere größere Entschlossenheit entgegensetzen.
Anmerkungen:
- Fraternal Order
of Police:
Der Fraternal Order of Police oder "Brüderliche Polizeiorden" ist eine
rechtsradikale Polizeigewerkschaft, die hinter den Kulissen sehr eifrig
für die Hinrichtung Mumia Abu Jamals arbeitet, Anm. MH
- Effective Death
Penalty Act (EDPA) von 1996:
Bundesgesetz zur Beschleunigung von Verfahren, die mit der Todesstrafe
zu tun haben, Anm. MH
- ...als
er gegen diese Entscheidung protestierte.:
Meines Wissens stammt der betreffende Vorfall aus dem
ursprünglichen Mordprozeß von 1982, Anm. MH
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