Zurück zu Dokumente  Mumia Solidaritäts Index MSI [de]   27.11.1999 
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  Peltier’s Leben: ein Sonnentanz
Von Mumia Abu-Jamal
 
 

Schon bei der einfachen Erwähnung der Pine Ridge Reservation kommt einem sofort ein anderer Namen in den Kopf: Leonard Peltier. Bekannt in seinem Stamm als „Gwarth-ee-lass“ (Er führt das Volk), ist er und sein Fall zu internationalen Symbolen der zügellosen Ungerechtigkeit geworden, mit der die Indianer in den Vereinigten Staaten konfrontiert sind.
Seit über einem Vierteljahrhundert wird Peltier in U.S.-Kerkern eingesperrt, geschlagen, reingelegt und misshandelt; dennoch bleibt er ungebrochen. Nun, nach vielen lang andauernden Jahren in der Hölle, hat Peltier ein bewegendes, herzzerreißendes Buch über sein Leben geschrieben, das von seinem Anfang und seiner Entwicklung als politischer Aktivist, seiner ungebrochenen Überzeugung von der Gerechtigkeit seiner Sache und der der Indianer berichtet. Dieses neu erschienene Buch heißt „Gefängnisschriften: Mein Leben ist mein Sonnentanz“ [Prison Writings: My Life Is My Sun Dance] (N.Y. : St. Martin’s Press, 1999). Für diejenigen von Euch, die vielleicht seinen Namen kennen, aber wenig über die Geschehnisse vor seiner politischen Einkerkerung wissen – seine Einführung, als Jugendlicher, in die weiße Gesellschaft war ein praktischer Garant seines zukünftigen politischen Widerstands:

„Nachdem Opa an einer Lungenentzündung starb, als ich acht Jahre alt war, wurde das Leben für uns sehr hart. Oma war alleine, sprach kaum Englisch, hatte kaum Einkommen und musste drei kleine Kinder – mich, meine Schwester und unsere Cousine Pauline – alleine erziehen. Ich versuchte mit meiner Zwille den Kochtopf aufzufüllen, erwischte mal ab und zu ein Einhörnchen oder auch mal einen kleinen Vogel. Meistens benutzte Oma sie, um die übliche Gemüsesuppe aufzubessern. Mit der Zwille ist es mir nie gelungen, ein Kaninchen zu erwischen, wie die großen fetten, die Opa für Omas geliebten Kaninchengulasch mit seinem Einzelschuss Kaliber .22 dann und wann schoß.
Bei dem kalten Winter in Nord Dakota war der Hunger ein großes Problem für uns. Wir hatten kein Brot, keine Milch, fast gar nichts. Ich dachte, dass die nagenden Schmerzen im Bauch normal wären, ich sollte mich so fühlen.
Eines Tages im Herbst 1953 kam ein großes schwarzes Auto der Regierung und brachte uns Kinder in ein Internat des Büros für Indianerangelegenheiten in Wahpetan, Nord Dakota. Ich erinnere mich, wie Oma vor der Tür stand und weinte, als sie uns wegführten. Wir hatten keine Koffer, nur Bündel. Sobald wir ankamen, schnitten sie uns zu erste unsere langen Haare ab, zogen uns aus und dann besprühten sie uns mit DDT-Puder. Ich dachte, ich würde sterben. Dieser Ort, kann ich Euch sagen, war sehr, sehr strikt, er war eher eine Besserungsanstalt als eine Schule. Man wurde wegen des kleinsten Verstoßes mit einem Lineal auf den Hintern geschlagen, auch wenn man es nur wagte, jemandem ins Auge zu schauen.“[ff. 77-78.]

Das, was eigentlich eine Schule sein sollte, war für den jungen Leonard „meine erste Gefangenschaft“. Seine Straftat? Indianer zu sein. Dies war die Einführung eines kleinen Jungen in den American Way, wo er und sein Volk geschlagen wurden, weil sie die Sprache ihrer Mütter und Väter sprachen, wo sie bestraft wurden, weil sie sich nicht weiß genug verhielten. Ist es denn verwunderlich, dass er später in dem Indian Way eine bessere Lebensart finden wurde?
Dies ist eine außergewöhnliche Schilderung indigen-amerikanischer Geschichte und zeigt die Gründe, warum es immer noch so viel böses Blut zwischen den Ureinwohnern dieses Landes und den Amerikanern gibt. Peltiers Leben ist ein gequältes Leben, und die Taktiken der US-Regierung sind in ihrer Rohheit und Grausamkeit kaum zu fassen. Informiert Euch über eine der brutalsten Tragödien dieses Landes und über den Geist, der im Namen Crazy Horse voller Hoffnung bleibt. Ohne Zweifel, indianische Geschichte, geschrieben von einem außergewöhnlichen Mann, ist in diesem Buch. Es ist auch amerikanische Geschichte, nicht die, die in amerikanischen Geschichtsbücher gelehrt wird, trotzdem aber von Millionen gelebt wird.
Jedes Schulkind sollte dieses Buch lesen. Auf dieser Art, werden sie endlich anfangen, die Wahrheit über die letzten 500 Jahren in diesem Ort, den wir Amerika nennen, zu erfahren.
Vielleicht könnten sie ihre Stimmen im wachsenden, schwellenden Chor der vielen Stimmen erheben, die die Freilassung dieses leidenden geistigen Kriegers fordern, dessen einziger Fehler es ist zu wagen, Indianer in einem Land zu sein, in dem rote Menschen eigentlich nicht überleben sollten.

11/11/99

SPG (HH)

 
Vorabdruck aus dem Angehörigen Info Nr. 227 vom 29.11.1999
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