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  Die nächste kritische Phase im Kampf um das Leben Mumia Abu-Jamals
USA, 15. Dezember 1999 - Ein Brief an die Solidaritätsbewegung:
 
 

Das neue Millenium wird einige kritische Monate im Kampf um das Leben Mumia Abu-Jamals einleiten. Jetzt müssen, mehr als je zuvor, unsere Kräfte und Anstrengungen noch mehr intensiviert und noch bewusster eingesetzt werden. In den Anfangsmonaten des Jahres 2000 müssen wir im Vorlauf der wichtigen Entscheidung des Bundesdistriktgerichts, die im März gefällt werden könnte, die öffentliche Unterstützung verstärken und mobilisieren.

Diese Gerichtsentscheidung des Bundesrichters William H. Yohn, Jr., wird womöglich darüber entscheiden, ob Mumia eine Beweiszulassungsanhörung (evidentiary hearing) bekommt, und damit, ob neue Beweise in die Gerichtsakten aufgenommen werden, oder ob alle zukünftigen Berufungen auf Grundlage der Entscheidungen des „Henkers“ Richter Albert Sabo stattfinden. Richter Sabo hielt alle Aussagen der Entlastungszeugen für unwahr, alle Aussagen der Belastungszeugen für wahr und ließ entscheidende Zeugen und Beweise für Mumias Verteidigung nicht zu.

Die Beweise müssen vorgelegt werden. Richter Yohn muss jetzt entscheiden, ob er sein Recht, alle Aspekte der Entscheidungen und Beweiszulassung der Pennsylvania-Gerichte zu untersuchen, ausübt oder nicht. Trotz des durch das Anti-Terrorism and Effective Death Penalty Act von 1996 auferlegten Einschränkungen ist Yohn nach der Verfassung dazu berechtigt. Diese Gerichtsentscheidung ist entscheidend, weil sie entscheidet, ob die von den Pennsylvania-Gerichten nicht zugelassenen Beweise je einem Gericht vorgelegt werden, und sie entscheidet über den Inhalt der Gerichtsakten zu diesem Fall, die in allen zukünftigen Bundesberufungsprozessen untersucht werden. Wenn Sabos Entscheidungen weiterhin aufrechterhalten bleiben, dann gibt es in den Vereinigten Staaten keine Gerechtigkeit.

Massenbewegungen haben Auswirkung auf Gerichtsentscheidungen. Juristische Gelehrte ließen uns gern in der Glaube, dass alles vom Richter entschieden werde. Aber die Geschichte zeigt uns, dass die Stimmen und Aktionen der Massen große Auswirkungen auf Gerichtsentscheidungen haben. Dies trifft vor allem für hochsensible politische Fälle zu, die breite und vielfältige Auseinandersetzungen in der Gesellschaft zusammenfassen. So zwangen Massenaktionen und Busboykott die Gerichte in Montgomery dazu, gegen Segregation zu entscheiden.

Berufungsgerichte hoben die Urteile gegen die Chicago 7 und das Urteil gegen den Anführer der Black Panther Party, Huey P. Newton, teilweise auf, weil die Augen der Welt auf sie gerichtet waren. Und die Bewegung gegen den Krieg in Vietnam zwang eine Notentscheidung des Obersten Gerichts der USA, die Veröffentlichung der Pentagon Papers zuzulassen. Während der Anfangsmonate des Jahres 2000 wird die Regierung in Bezug auf diesen Fall ihre Hand an der „Puls der Gesellschaft“ haben, und ihre Entscheidung danach treffen, wie viel Boden sie verlieren wird.

Die Bewegung für Mumia hat viel erreicht während des letzten Jahres. Die Teach-Ins in den Schulen Oakland, die Konzerte von Rage Against the Machine, die Veranstaltung im Town Hall Theater in New York, der Arbeitsstreik der Hafenarbeiter der Westküste, Mumias (aufgenommene) Rede bei der Diplomverleihung an Evergreen State College, die 95 Leute mit einer Aktion des zivilen Ungehorsams vor der Freiheitsglocke in Philadelphia, Mumia 911 und die Mumia-Awareness-Woche, alle diese Aktionen haben Millionen von Menschen auf den Mumias Fall aufmerksam gemacht. Aber wir dürfen uns nicht täuschen, wir müssen dennoch eine möglichst breite Bewegung aufbauen, um einem Gegner Paroli zu bieten, der immer noch mächtig, gefährlich und gut organisiert ist und darauf lauert, Mumia töten zu können.

Alle sind willkommen in der Bewegung, um die Hinrichtung Mumia Abu-Jamal zu stoppen. Wenn Sie zutiefst beunruhigt sind über das, was Mumia in den Gerichtssälen widerfuhr, und besorgt sind, was passieren kann, wenn dies zum Präzedenzfall wird, dann brauchen wir Ihre Stimme. Wenn Ihre Hauptanliegen die Abschaffung der Todesstrafe ist, dann wird hier dafür gekämpft. Wenn Sie von Mumias Unschuld überzeugt sind, denn verhindern Sie, dass ein Justizmord geschieht. Wenn die Unterdrückung abweichender Meinungen Sie besorgt, dann verschaffen Sie Mumia Gehör.

Alle können aktiv werden. Dutzende von Programmen, Aktionen, Zeitungsanzeigen und Mobilisierungskampagnen sind bereits geplant, um unseren gemeinsamen Ruf nach Gerechtigkeit auszudrücken. Die Aktionen jeder einzelnen Menschen zählt. Über 15.000 Briefe Mumias an Richter Yohn sind bei Mumias Anwalt Len Weinglass eingegangen, könnten wir nicht 100.000 solcher Briefe bis die Anhörung sammeln? Jeder hat irgendwie Kontakt zu Berufs- oder sozialen Gruppen, wäre es nicht möglich, diesen Fall in die Schulen, Kirchen, Vereinigungen, Gewerkschaften und sogar in Freundes- und Familienkreise einzubringen, wäre es nicht möglich, öffentliche Veranstaltungen und Gedenktage zu nutzen, um Mumias Fall an die Öffentlichkeit zu bringen, wäre es nicht möglich, Mumia-Plakate überall zu verkleben?

Da das Jahr 2000 auch Wahljahr ist, sollten nicht die Kandidaten mit diesem Thema überflutet werden? Gouverneur Ridge von Pennsylvania hat bis jetzt 179 Hinrichtungsbefehle unterschrieben, 106 für Afro-Amerikaner in einem Bundesstaat, der nur 10% Schwarze hat. Sollte er nicht überall als „Gouverneur Tod“ gebrandmarkt?

Wir haben etwas zu gewinnen bei der Rettung von Mumias Leben. Die Solidaritätsbewegung ist zum Brennpunkt für viele anderen Bewegungen geworden, die gegen die vielfältigen Unterdrückungsmethoden kämpfen, denen wir heute ausgesetzt sind: die weitverbreitete Polizeibrutalität vor allem in den schwarzen und Latino-Vierteln, der blühende Gefängnis-Industrie-Komplex, die Schnellschussverhängung der Todesstrafe, die bis Ende des Jahres 2000 wahrscheinlich fast 4.000 Menschen in den Todestrakten schicken wird.

Wir dürfen Mumia nicht verlieren. Jeder Tag unserer Arbeit in der Vergangenheit war unerlässlich für das, das wir im Kampf zur Rettung Mumia heute erreicht haben. Die nächsten Monate vor der Entscheidung des Bundesgerichtes über eine Beweiszulassungsanhörung und darüber, ob die Gerichtsakten auf dem Stand Sabos Entscheidungen geschlossen bleiben, verlangen alle unsere Kräfte, unsere ganzen Anstrengungen, unsere kreativsten Ideen.

(SPG HH)

Unterzeichnet von:

  • Pam Africa, International Concerned Family & Friends of Mumia Abu-Jamal
  • Safiya Bukhari, Free Mumia Abu-Jamal Coalition (New York)
  • Ron Daniels, Center for Constitutional Rights
  • Ossie Davis
  • Martín Espada, poet
  • Herman Ferguson, New African Liberation Front
  • Henry Louis Gates, Jr., Harvard University
  • Frances Goldin, literary agent
  • C. Clark Kissinger, Refuse & Resist!
  • Jeff Mackler, Mobilization to Free Mumia Abu-Jamal (Northern California)
  • Bob Mandel, Oakland Education Association
  • Manning Marable, Black Radical Congress
  • Robert Meeropol, Rosenberg Fund for Children
  • Monica Moorehead, Millions for Mumia/IAC
  • Joan Parkin, Campaign to End the Death Penalty
  • Marcus Rediker, Western PA Committee to Free Mumia (Pittsburgh)
  • Muhjah Shakur, Jericho Project
  • Mark Taylor, Academics for Mumia Abu-Jamal
  • Michael Warren, attorney
  • Steve Wiser, Bruderhof communities
  • Julia Wright,ICFF (Paris)

 
Aus dem Angehörigen Info Nr. 228 vom 24.12.1999
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