Zurück zu Dokumente  Mumia Solidaritäts Index MSI [de]   24.12.1999 
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  Rede Peter Gingold in Kaiserslautern am 13.November 1999
 
 

Für die VVN-BdA und auch für das Auschwitzkomitee grüße ich die Teilnehmer der Protestdemonstration und Kundgebung gegen die drohende Hinrichtung Mumia Abu-Jamals. Meine Hochachtung den Initiatoren dieser Protestaktion und allen Teilnehmern an der Demonstration und dieser Kundgebung, allen, die trotz Strapaze und Kosten hierher gekommen sind. Wir manifestieren hier unsere Gefühle der tiefen Verbundenheit mit Mumia Abu-Jamal, dem seit 17 Jahren die Hinrichtung droht.

Ausgerechnet in dieser Stadt zu Tode verurteilt und die drohende Hinrichtung, die Philadelphia heißt, auf Deutsch, "Stadt der Bruderliebe". Dabei ist es der Haß, der den Journalisten und Kämpfer für die Menschenrechte der Schwarzen Mumia Abu-Jamal töten könnte, diesen mutigen, unabhängigen und populären Journalisten, der den Spitznamen erhielt: "The Voice of the Voiceless" "Die Stimme der Stimmlosen" Diese Stimme ist unerträglich geworden. Man will sie nicht nur zum Schweigen bringen, sondern auch verhindern, daß sie in anderen lebendigen Stimmen widerhallt, die sich erheben könnten, um gegen dieselbe rassistische Repression zu protestieren.

Wir alle wissen, was seit 17 Jahren die Hölle des death row, des Todestrakts bedeutet, in dem Mumia Abu-Jamal isoliert, in Wirklichkeit Tag und Nacht gefoltert, vom Todestrakt zur Hinrichtungsstätte hin und her, ein Wechselbad physischer Folter.

Ich glaube, daß jeder der hier Anwesenden nachvollziehen kann, was es heißt, in der Todeszelle zu sitzen und auf seine Hinrichtung zu warten. Ich ganz besonders. Wohl hatte ich nicht 17 Jahre in der Todeszelle gesessen, nur einige Monate, als ich mit dem Schlimmsten belastet in den Händen der Gestapo meiner Hinrichtung entgegensah. Durch eine wundersame Rettung, war ich meinen Henkern entkommen. Ich weiß, was es bedeutet, damals 26 Jahre alt, sein ganzes Leben noch vor sich, nun aber den Tod vor den Augen. Wie viele Abschiedsbriefe von meist jungen antifaschistischen Widerstandskämpferinnen und Widerstandskämpfern habe ich gelesen, die sie kurz vor ihrer Hinrichtung noch haben schreiben können. Jede einzelne erschüttert mich im tiefsten Innern. Die Aufzeichnungen, die Mumia aus seiner Todeszelle in die Öffentlichkeit hat bringen können, erinnern mich an die Aufzeichnung des hingerichteten tschechischen antifaschistischen Widerstandskämpfers Julius Fuczik. Bekannt ist seine "Reportage unter dem Strang", die mit den Worten endet: "Menschen seid wachsam!"

So, wie wir heute hier zusammenstehen und unsere Empörung über den drohenden Justizmord in den USA kundgeben, bin ich an Ähnliches in meiner Jugend erinnert, ein Schüsselerlebnis. Das war vor etwa fast 70 Jahren. Eines Abend auf dem Wege von meiner Lehrstelle nach Hause in meiner Heimatstadt Frankfurt am Main, standen dicht gedrängt eine riesige Menge von Menschen auf dem Platz, den ich immer überqueren mußte. Ich las auf einem großen Transparent, so ungefähr habe ich es in Erinnerung, "Rettet Sacco-Vanzetti!" Zum erstenmal hörte ich diese Namen. Ich hörte den Rednern zu, bis ich allmählich begriff, um was es geht. Was mich faszinierte: Hier kommen viele hunderte Menschen zusammen, um gegen den Justizmord in den USA an zwei italienischen Emigranten zu protestieren, engagierte Gewerkschafter, die für ein von Polizeiprovokateuren hergerufenes Blutbad während einer Streikaktion verantwortlich gemacht worden sind. Wut, Empörung machte sich auf dieser Kundgebung Luft. Wie war ich beeindruckt, diese Solidarität mit Menschen, unschuldig von der Hinrichtung bedroht, auf der anderen Hälfte des Erdballes. Dieses Erlebnis einer internationalistischen Solidarität, war für mich, den 15-Jährigen, der wesentliche Anstoß, der mich dann für das ganze Leben, bis in die Gegenwart zu einem leidenschaftlichen Internationalisten machte. Im diesem Geist der internationalistischen Solidarität war es mir gegönnt an den Befreiungsbewegungen in den von der Hitlerwehrmacht okkupierten Ländern in Frankreich und auch in Italien teilzunehmen. Mein Überleben, das meiner Frau und meinem damals zweijährigen Kind, von französischen Bauern versteckt, habe ich der internationalen Solidarität zu verdanken. Und dann habe ich selber internationale Protestbewegungen gegen Justizmorde in den USA mitorganisieren können, wie z.B. in den 50er Jahren für Ethel und Julius Rosenberg, die fälschlich wegen Atomspionage angeklagt, unschuldig hingerichtet worden sind. So auch gegen die drohende Hinrichtung des Afroamerikaners George Jackson. So auch die Solidaritätsbewegung "Freiheit für Angela Davis", die unschuldig in den USA im Gefängnis saß.

Daran ist zu erinnern, daß 3000, überwiegend Afroamerikaner auf den Tod durch den Strang, den elektrischen Stuhl, die Gaskammer, die Todesspritze, oder das Erschießungskommando warten, Tag und Nacht elektronisch überwacht. Jeder weiß, nur wer es sich leisten kann, einen guten Anwalt zu bezahlen, hat die Chance, nicht auf den elektrischen Stuhl zu kommen. Und jeder weiß, daß Justizmorde wie ein roter Faden durch die Geschichte der USA-Justiz zieht und daß ein großer Teil der Strafverfahren, die mit Todestrafen enden, vor allem gegen Schwarze gerichtet sind, wie bei Mumia Abu-Jamal, der Rassismus zur Grundlage hat.

Wenn wir Menschen zur Solidarität mit Mumia Abu-Jamal mobilisieren, mobilisieren wir sie gegen den Rassimus. Eine Pflicht, die die jüngste deutsche Geschichte gerade uns diktiert, an der Spitze des internationalen Protestes zu stehen gegen die drohende Hinrichtung von Mumia Abu-Jamal! Es gibt wohl in der Welt kaum ein anderes Volk, als die Deutschen, die erfahren haben, was Rassismus bedeutet und wohin der Rassismus führte. Es kann und darf doch nicht in Vergessenheit geraten, wie mit der Herrenrasse-Ideologie eine Nation mit ganz normalen Menschen dazu gebracht wurde, pflichtgemäß den historischen Auftrag zu erfüllen, Völkermassen als minderwertig, als nicht lebensberechtigt industriemäßig auszurotten, wie man Ungeziefer ausrottet, als alle Werte, alle hohen Ansprüche des Wahren, Schönen, Guten der deutschen Dichter und Philosophen an Auschwitz zerschellte. Aus dieser Geschichte gäbe es Tausend Gründe, die die Deutschen, wie niemand anders auf dieser Erde politisch und moralisch verpflichtet am lautstärksten aufzuschreien, wo Rassismus zu Tage tritt, ihn zu bekämpfen, ganz gleich wo, und sich mit jedem zu solidarisieren, der aus rassistischen Gründen verfolgt, beleidigt, verletzt und vor allem dessen Leben bedroht ist. Wir schulden es der Geschichte, wir schulden es der Welt, wir schulden es den Opfern des Rassismus und wir schulden es dem Widerstand. Und vor allem angesichts dessen, wie beängstigend der Rassismus in der deutschen Bevölkerung virulent ist, ständig genährt und gefördert durch eine ausländerfeindliche Politik der Regierung unter Kohl, auch unter der jetzigen Regierung und wenn ich daran denke, daß in meinem Land in Hessen ein Mann zum Ministerpräsidenten werden konnte durch die ausländerfeindliche Unterschriftenkampagne, die er mit seiner Partei organisierte. So geht es zugleich um hier und um uns in unserer Solidarität mit Mumia Abu-Jamal. Es geht zugleich um hier und um uns, wenn wir Menschen zum Protest gegen seine bevorstehende Hinrichtung mobilisieren. Es ist zugleich ein wichtiger Beitrag die humanistische Lehren der deutschen Vergangenheit ins Bewußtsein unserer Bevölkerung zu verankern. Weder Sacco und Vanzetti, noch Ethel und Julius Rosenberg, noch George Jackson hatte die internationale Solidaritätsbewegung retten können. Aber sie hatte gegen den Rassismus in Südafrika die weißen rassistischem Herrscher davon abhalten können, Nelson Mandela zu töten, als er im Gefängnis saß. Die Solidarität mit Angela Davis, hat sie aus dem Gefängnis befreit. Vom Mumia kommen die Worte: Diese Solidarität bringt mich vom Tode zum leben. wir dürfen uns nicht entmutigen lassen, niemals! Auch wenn wir wissen, daß immer wieder der Gouverneur Tom Ridge ein Datum für die Hinrichtung, für die Giftspritze oder für den elektrischen Stuhl festlegt, die die weltweite Solidaritätsbewegung immer wieder verhindert hat. Intensivieren wir die Protestbewegung, die Mumia Abu-Jamal den Machenschaften der USA-Justiz entreißt! Daß die Solidarität Mumia vom Tod ins Leben zu bringt!

 
Quelle: Gruppe Zentralkomitee (ZK); Kaiserslautern
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