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  Wie geht es weiter in der Gerichtsverhandlung für Mumia Abu-Jamal
von C. Clark Kissinger
 
 

"Diese Anforderung ist erfüllt, wenn der Antragsteller beweisen kann, daß entweder: (1) das Verfahren, das in seiner Verurteilung mündete, derart unfair war, daß ein für eine zivilisierte Gesellschaft untolerierbarer Justizirrtum stattfand; oder (2) daß der Antragsteller des ihm vorgeworfenen Verbrechens unschuldig ist." (Aus Gesetz 1507 der Strafprozeßordnung des Staats von Pennsylvania).

Während wir die endgültige Entscheidung des Pennsylvania Supreme Court abwarten, gehen die Proteste weiter. Aber viele Menschen stellen die Frage, "wie geht's weiter", und zu recht. Die Entscheidung dieses Gerichts wird einen entscheiden Punkt im Mumia Abu-Jamals juristischen Kampf für Gerechtigkeit darstellen.

Im folgenden eine Skizze dessen, was wahrscheinlichnach der Entscheidung des Pennsylvania Supreme Court juristisch ablaufen wird. Man kann den genauen Verlauf der Ereignisse aus drei Gründen nicht genau vorhersagen: erstens, in diesem Fall konzentriert sich eine wichtige gesellschaftliche Auseinandersetzung über die reaktionäre Politik verstärkter Polizeimacht und beschleunigter Hinrichtungen; zweitens, hat das Gericht in jeder Phase des Prozeßes viele verschiedene Entscheidungsmöglichkeiten; drittens, gibt es taktische Entscheidungen, die Mumia und seine Verteidigung vor jedem Schritt treffen müssen.

Aber das juristische Terrain ist auch nicht vollkommen unbekannt. Es gibt Gesetze, Verfahren und Präzendenzfälle, die der Staat immer noch, bis zu einem gewissen Punkt, respektiert, denn viele seiner Anhänger glauben an die "Gesetzesregeln", und dem Staat ist es wichtig, daß sie weiterhin an das System glauben.


Der Pennsylvania Supreme Court

Was dem Gericht vorliegt, ist die eingelegte Berufung gegen die Weigerung von Richter Sabo, eine Wiederaufnahme des Gerichtsverfahrens zu gewähren. Das Gericht hat mindestens fünf Entscheidungsmöglichkeiten: erstens, könnten die Richter zu dem Schluß kommen, daß die PCRA-Anhörungen (Post Conviction Relief Act, Berufungsgesetz), bedingt durch das Verhalten Richter Sabos, derart fehlerhaft war, daß sie den Fall an das Gericht zur neuen Anhörung über eine Wiederaufnahme des Verfahren zurückschicken (Richter Sabo wurde in den Ruhestand versetzt, so daß die Anhörung vor einem anderen Richter stattfände); zweitens, daß die ganzen Beweise gegen Mumia durch das Fehlverhalten der Verfolgungsbehörden und des Gerichts so fehlerhaft sind, daß die Richter seine Freilassung anordnen und die Anklage gegen ihn fallen lassen; drittens, könnten sie entscheiden, daß das Verfahren fehlerhaft genug war, und ein neues Verfahren anordnen (wiederum vor einem anderen Richter); viertens, daß nur die Verurteilungsphase des ursprünglichen Prozeßes fehlerhaft war, so daß nur dieser Teil des Verfahrens wiederholt wird. In diesem Fall wurde Mumias "Schuld" als erwiesen angenommen, und die Verschworene müßte zwischen lebenslänglicher Haft und der Todesstrafe entscheiden; fünftens, könnte das Gericht entscheiden, daß die Berufung gegenstandslos sei, und sie abweisen.

Der Pennsylvania Supreme Court ist mehr "politisch angetrieben" als die meisten anderen. Seine Richter werden nach politischer Gesichtspunkten gewählt, und einige werden offiziel von den selben Polizeiorganisationen unterstützt, die Mumias Tod fordern. Aber da die Beweise gegen Mumia so schwach sind, ist es möglich, daß eine Entscheidung getroffen wird, den Fall auf bundesstaatlicher Ebene zu lösen. Dies würde es vermeiden, daß das Bundesgericht die Entscheidung des bundesstaatlichen Gerichts aufheben müßte, und damit einen der Hauptpunkte der gegenwärtigen reaktionären Politik beibehalten: daß die bundesstaatliche Gerichte das letzte Wort bei Hinrichtungen haben. Doch viele Beobachter erwarten, daß das Höchstgericht von Pennsylvania Mumias Antrag zurückweist. In diesem Falle, wird das Gericht innerhalb von 60 Tagen einen offiziellen Verfügung, den "Mandate" (Befehl eines höheren Gerichts), erlassen.


Der Gouverneur und der Hinrichtungsbefehl

Da der ehemalige Governeur Casey den Hinrichtungsbefehl für Mumia und eine Reihe anderer Gefangenen nicht unterschrieben hatte, änderten die Pennsylvania Gesetzgeber das Gesetz. Jetzt ist der Governeur verpflichtet innerhalb von 30 Tagen einen Hinrichtungsbefehl, der den Hinrichtungstermin innerhalb der folgenden 60 Tagen festlegt, zu unterschreiben. Natürlich braucht Governeur Tom Ridge keinen gesetzlichen Anstoß, da er schon versprochen hat, den Hinrichtungsbefehl sofort nach der Entscheidung des Supreme Courts zu unterzeichnen. Der Hinrichtungsbefehl ist eine Anordnung an die Gefängnisbehörden, die Hinrichtung auszuführen. Aber selbst wenn Ridge den Hinrichtungsbefehl nicht unterzeichnet, hat nach dem neuen Gesetz der Leiter der Department of Corrections (Gefängnisbehörde) die Macht die Hinrichtung auszuführen, auch ohne Hinrichtungsbefehl. Hinrichtungen sind nun Verwaltungsfunktionen der Gefängnisbehörden geworden. Das Recht des Gouverneurs, sich Zeit zu nehmen für eine sorgfältigere Betrachtung des Falles, ist eliminiert worden.

Um eine angesetzte Hinrichtung zu verhindern, ist das Verteidigungsteam von Mumia gezwungen, sehr schnell den Bundesgerichten Dokumente vorzulegen, um eine Anordnung zur Aussetzung der Hinrichtung zu bekommen. Nach dem Bundesgesetz des habeas corpus, ist eine Aussetzung der Hinrichtung festgeschrieben. Das bedeutet, daß das Bundesgericht, während es über Mumias Berufung entscheidet, eine Aussetzung der Hinrichtung anordnen muß.

Hier muß man einige Worte über den Hinrichtungsbefehl sagen. Erstens, auch wenn dem Beschluß über den Hinrichtungsbefehl innerhalb einer oder zwei Wochen ein Aussetzungsbeschluß der Bundesgerichte folgt, ist diese Aussetzung nicht mehr als eine zeitliche Aufschiebung. Die Unterzeichnung des Hinrichtungsbefehls wäre ein wichtiger Wendepunkt in Mumias Kampf, es würde zeigen, daß es eine politische Entscheidung gibt, Mumias hinrichtung durchzuführen. Die Entscheidung des Staates Pennsylvania, Mumia Hinzurichten, wäre vollzogen, und alle neuen Beweisen, die in verschiedenen Anhörungen seit 1995 vorgebracht wurden, wären damit offiziel abgelehnt. Dagegen muß es massiven und internationalen Protest geben. Zweitens, wird Mumias Fall in dieser Zeit in die Medien und das öffentliche Bewußtsein zurückkehren, und wir müssen uns alle anstrengen, daß er dort auch bleibt. Drittens, würde es bedeuten, daß Mumias Fall nun vor den Bundesgerichten, mit ihren neuen politischen Auftrag beschleunigter Berufungen und schnellen Hinrichtungen, vorläge.

17 Jahre lang lag Mumias Fall bei den bundesstaatlichen Gerichten, dies wird nicht der Fall sein vor den Bundesgerichten. In dem neuen "rasen zur Hinrichtung" Klima, werden die Entscheidungen der Bundesgerichte in jeder Phase des Verfahrens innerhalb Monaten (nicht Jahren) fallen.


Der "Effective Death Penalty Act" (Gesetz zur vollzogener Todesstrafe)

In dem hysterischen Atmosphäre nach dem Sprengstoffanschlag auf das Bundesgebäude im Oklahoma, wurde im April 1996 das "Anti-Terrorismus and Effective Death Penalty Act von 1996" (EDPA) vom Kongress verabschiedet, und von Präsident Clinton unterzeichnet. Dieses Gesetz hat u.a. die erhebliche Einschränkung der Möglichkeiten der Bundesgerichte, Todesstrafen der bundesstaatlichen Gerichte aufzuheben, zum Ziel. Die Auswirkung der im neuen Gesetz erhaltenen "habeas copus Reform" ist das zurückwerfen des US-Gerichtswesen in die &Äuml;ra des "bundesstaatlichen Rechts", in der die Bundesgerichte Justizfehler in den Bundesstaaten duldete. Es waren die Massenproteste der Bürgerrechtsbewegungen der 60er Jahre, die die Bundesgerichte schließlich dazu zwangen einzuschreiten und der "Cracker Justiz" des Südens ein Ende zu bereiten. Die 1996 Gesetzgebung stellt die Cracker Justiz sowohl im Norden als auch im Süden wieder her.

Das "Problem", daß das neue habeas corpus Gesetz korrigieren sollte ist, daß die Bundesgerichte seit 1977 ungefähr 35% aller Todesurteile der Bundesstaaten aufgehoben haben, im allgemeinen wegen klarer Verletzung der Rechte der Angeklagten. Ohne diese Prozesse gäbe es heute über 5.000 Menschen in den Todestrakten.

Ein Antrag auf habeas corpus (Lateinisch für "gib uns den K&öuml;rper") im englischen Recht, war die Anrufung eines Gerichtes, um zu prüfen ob die Festname einer Person durch den König legal war. Indem dem Antrag stattgegeben wurde, sagte das Gericht dem Sheriff des Königs "bring den Körper" in den Gerichtsaal und rechtfertige, warum er festgehalten wird. Daraus entwickelte sich ein allgemeiner Mechanismus, wonach die Bundesgerichte gefragt werden, Strafurteile durch bundesstaatliche Regierungen zu überprüfen. In der Praxis bedeutet dies, daß die staatlichen Regierungen kein absolutes Recht haben, die Freiheit oder das Leben einer Person zu nehmen.

Einige der schlimmsten neuen Vorschriften des Gesetzes, passen auf Mumias Fall und andere nicht. Eine Vorschrift beschränkt dem Gefangenen das Recht auf einen einzigen Antrag auf habeas corpus bei den Bundesgerichten. Dieser muß in Fällen von Todesstrafen innerhalb von 6 Monaten gestellt werden. In Mumia's Fall ist dies zur Zeit noch kein Problem, denn es wird sein erster habeas corpus Antrag sein, und er muß ihn schnell einreichen, um eine Aussetzung des Hinrichtungsbefehls zu erreichen.

Ein anderer Aspekt des neuen Bundesgesetzes ist es, den Bundesstaaten ein wirkliches "Teufelsgeschäft" anzubieten. Das neue Gesetz ermöglicht es, feste Fristen (d.h. Beschleunigung) für Berufungen von Todesstrafenurteilen zu setzen, die von einem Bundesstaat kommen, der ebenfalls seinen eigenen Berufungsverfahren beschleunigt hat. Es ist als ob die Regierung sagen würde, "wir geben euch mehr Geld für Autobahnen, wenn ihr die Geschwindigkeitsbegrenzung auf 55 Meilen/Stunde haltet", nur daß sie hier sagt, "wenn Ihr Euch mit den Todesstrafenfällen in Euren Staaten beeilt, beeilen wir uns damit bei den Bundesgerichten". Diese Beschleunigungsvorschriften setzen den Bundesgerichten eine Frist von 120 Tagen zur Entscheidung über habeas corpus Anträge, und den Bundesberufungsgerichten gleichwohl 120 Tage um diese Entscheidung zu überprüfen. Der Tod kommt auf der schnellen Spur.

Pennsylvania, wie viele andere Bundesstaaten, erließ neue Gesetze zur Beschleunigung der Berufungsverfahren, um mit der Bundesregierung "ins Geschäft" zu kommen. Völlig unerwartet indessen, erklärte im August 1997 der Pennsylvania Supreme Court das Gesetz für verfassungswidrig, da laut Verfassung nur dieser allein das Recht habe, die Berufungsprozeßordnung der Staatsgerichten festzulegen.

So finden die neuen fürchterlichen Fristen in Mumias Fall keine Anwendung vor dem Bundesgericht, aber das bedeutet nicht, daß sich das Verfahren über viele Jahre hinziehen wird. Wie schon erwähnt, sein Verlauf wird in jeder Phase innerhalb von Monaten entschieden. Außerdem ist das gegenwärtige politische Klima von schnellen und häßlichen &Äuml;nderungen in allen juristischen Verfahren zur Beweiszulassung, zu verfassungsmäßigen Rechten, zur Strafmaßfestsetzung und zu Berufungsverfahren geprägt. Selbst die Entscheidung des Höchsten Gerichts zur Verfassungswidrigkeit des Berufungsverfahrensgesetz, könnte von diesem wieder revidiert werden.


Die Auswirkungen von EDPA auf Mumias Fall

Die Teile des neuen Bundesgesetzes, die einschränken, wie die Bundesgerichte Berufungsfälle aus den Bundesstaaten zu überprüfen haben, werden auf Mumias Fall angewendet. Sie schreiben den Bundesgerichten vor, die Tatsachenfeststellung der bundesstaatlichen Gerichte als wahr anzunehmen und nicht, wie in der Vergangenheit, eine neue und unabhängige Prüfung der Tatsachen vorzunehmen. Damit wird der ganze Prozeß auf den Kopf gestellt. Es legt die Beweislast auf den Gefangenen zu beweisen, daß er eindeutig unschuldig ist, anstatt daß der Staat beweisen muß, daß der Gefangene ohne jeden vernünftigen Zweifel schuldig ist.

Machen wir uns klar, was das bedeutet. Es bedeutet, daß alle neuen Beweise, die in den drei PCRA-Anhörungen vorgelegt wurden, dürfen nicht vom Bundesgericht berücksichtigt werden, weil Richter Sabo sie nicht glaubwürdig fand. Das heißt, es wird nicht berücksichtigt, daß Veronica Jones ihre Falschaussage im ursprünglichen Verfahren wiederrief. Das heißt, daß Pamela Jenkins Aussage, daß die Polizei Augenzeugen einschücherte, nicht berücksichtigt wird. Das heißt, daß die Aussage William Singletary, Mumia sei nicht der Schütze gewesen, nicht berücksichtigt wird. Das heißt, daß die neue Information über Robert Chobert, dem es erlaubt wurde, 10 Jahre Taxi ohne Führerschein zu fahren als Ausgleich dafür, daß er seine Aussage änderte, vergessen werden muß. Es bedeutet, daß Cynthia White als tot angenommen wird, weil Richter Sabo sagte, daß sie es sei. Es bedeutet, daß das Märchen, Zeugen "errinnerten" sich plötzlich zwei Monate nach dem Vorfall , daß Mumia ein öffentliches Geständnis in der Nacht der Schießerei abgelegt hatte, als wahr angenommen wird, und die gegenteilige Zeugenaussage des Notaufnahmepersonals aber ignoriert werden muß. Es bedeutet, daß alle Weigerungen Richter Sabos, wichtige Dokumente anzufordern und Zeugen vorzuladen, als richtig angenommen werden.

Sogar auf juristischem Gebiet (im Gegensatz zu den Tatsachen im Falle), müssen die Bundesgerichten nun Irrtümer akzeptieren, die die Bundesgerichte bezüglich der verfassungsmäßigen Rechte der Angeklagten gemacht haben, solange diese Irrtümer nicht "unvernünftig" sind! Man kann sich nur wundern, was ein "vernünftiger" Verfassungsirrtümer sein soll, wenn es um das Leben eines Menschen geht.


Der Weg durch die Bundesgerichte

Jeder Antrag auf habeas corpus, würde vom federal district court (Bundesdistriktgerichtshof) im Philadelphia angehört werden. Eine der Richterinnen in diesem Gerichtshof ist die Frau von Ed Rendell, dem Bürgermeister von Philadelphia und früheren D.A. (Distriktstaatsanwalt). Die Welt ist klein, nicht wahr? Vor dem Bundesdistriktgerichtshof, würde Mumias Verteidigung wahrscheinlich Anträge auf Beweissuchung (Beweise, die Richter Sabo unterdrückte) und Beweisaufnahme stellen. Diese Anträge werden als "briefs" (nach Standpunkten zusammengefaßt) formuliert, das heißt, es gäbe Schriftsätze sowohl von der Verteidigung, als auch vom Staat Pennsylvania. All dies würde seine Zeit brauchen, aber der Gerichtshof würde Fristen zum Einreichen der Schrifsätze setzen, eher von Tagen als Monaten. Werden die Anträge genehmigt, würde dies noch mehr Zeit in Anspruch nehmen. Aber noch einmal, nur weil dies keine feste Fristen sind, bedeutet das nicht, das dieser Prozeß dauern wird.

So wie der Pennsylvania Supreme Court mehrmere Entscheidungsmöglichkeiten hat, so kann auch das Bundesdistriktgericht über ein habeus corpus Antrag verschiedenartig entscheiden. Eine Option ist, daß es Mumias Antrag auf "halten" stellt und ihn an das bundesstaatliche Gericht zurückschickt. Das Bundesgericht kann erst Mumias Berufung annehmen, wenn alle bundesstaatlichen Möglickkeiten ausgeschöpft sind, und da Sabo sich weigerte bestimmte Beweise zuzulassen, könnte das Bundesgericht sagen, daß die bundesstaatlichen Möglichkeiten nicht ausgeschöpft sind, und den Fall an dieses Gericht zurückschicken, um diese Beweise zu prüfen. Dies wäre im Einklang mit der neuen Bundespolitik, daß die bundesstaatlichen Gerichte die ganzen Beweisaufnahmen vornimmt. Nach dieser Anhörung, käme der Fall zurück zum Bundesgericht, das dann über den Antrag auf habeas corpus entscheidet.

Außer der Möglichkeit eines Antrags auf habeas corpus auf Bundesebene zu stellen, könnte er auch vor dem U.S. Supreme Court ein "writ of certiorare" beantragen. Hier geht es nicht um neue Beweisaufnahme, sondern das Gericht wird gebeten, die Akten zu untersuchen und eine Entscheidung bezüglich bestimmter Gesetze - normalerweise Rechte, die durch Bundesgesetze geschützt sind - zu treffen. Während der Supreme Court normalerweise das Verfahren aussetzt, während er solche Anträge überprüft, werden sie regelmäßig ohne Anhörung vom Supreme Court abgelehnt. Nur wenn es um eine wichtige juristische Frage geht, überprüft er solche Fälle.

Sollte der Bundesdistrikthof Mumias Antrag auf habeas corpus ablehnen, ist der nächste Schritt der Anrufung der Federal 3. Circuit Court of Appeals (Bundesberufungsgerichts im 3. Kreis), der auch in Philadelphia tagt. Dieses Gericht setzt sich normalerweise aus drei Richtern zusammen, und unterprüft hauptsächlich die Akten des Bundesdistriktgerichts, es kann mündliche Anhörungen zulassen, muß aber nicht. Fällt das Urteil dieses Gerichts negativ aus, kann Mumia eine Verhandlung vor allen Richtern des 3. Kreises beantragen. Solche Anträge werden selten genehmigt, aber die Entscheidung über den Antrag wird eine Weile dauern.

Jetzt sollte klar sein, daß es in den nächsten Jahren viele Aktivitäten in Philadelphia geben wird, und daß die Stadt ein wichtiger Ort für die politische Kampagne für Gerechtigkeit für Mumia bleiben wird. Und um etwas Gewürz dazu zu geben, sollte beachtet werden, daß Philadelphia eine der Städte ist, die sich um den Nationalen Konvent der Demokratischen Partei für das Jahr 2000 bewerben.

Die letzte Instanz im Bundesberufungsverfahren ist der U.S. Supreme Court. Das allerhöchste Gericht der U.S.A. nimmt nur wenige Todesstrafenfälle zur Überprüfung an - normalerweise, nur diejenige, die neue juristische Fragen aufwerfen, oder bei denen es um widersprüchliche Urteile Bundesberufungsgerichte verschiedener Kreise geht. Indessen, muß man aufpassen, wie dieses über die Verfassungsmäßigkeit des "Effective Death Penalty Act" urteilen wird. Hier könnte es zum altmodischen Widerspruch zwischen dem Gericht und dem Kongreß kommen, ob der Kongreß das Recht hat, Berufungsverfahren einzuschränken. Aber im Allgemeinen müssen wir sagen, daß die politischen Führer beider großen Parteien sich darüber einig sind, die Todesstrafe verstärkt anzuwenden und ihre Durchführung zu beschleunigen.

Das ganze Bundesgerichtswesen ist voller konservativer Richter, aus den Präsidentschaftszeiten von Reagan, Bush und Clinton. Der Trend ist, die Entscheidungen der bundesstaatlichen Gerichte abzusegnen und Hinrichtungen zu beschleunigen. Die herrschenden Eliten in diesem Land haben ein politisches Programm, das sich um mehr Polizei, mehr Gefängnisse und verstärkte Anwendung der Todesstrafe dreht. Einen schwarzen revolutionären Schriftsteller freizulassen, der wegen Polizistenmord verurteilt war, steht diesem Programm direkt entgegen. Deswegen ist Mumias Fall zu einem wichtigen Streitpunkt in der Gesellschaft geworden. Es geht für beide Seiten um sehr viel. Für seine Gegner ist es so wichtig, daß sie es vorziehen ein paar unschuldige Menschen hinzurichten, als zur Diskussion über die Notwendigkeit verstärkter Anwendung der Todesstrafe beizutragen. Dies war die Bedeutung der berüchtigten Herrera Entscheidung von 1993, die festlegte, daß Bundesstaaten Gefangene, die unschuldig sind, hinrichten können, solange die bundesstaatlichen Gerichte verfassungsmäßig geschützte Prozeßordnungen einhalten (Siehe mein Artikel, "Warum wir uns nicht auf die Bundesgerichte verlassen können).


Schlußfolgerung

Auch wenn Mumia die gegenwärtige Berufung vor dem Pennsylvania Supreme Court verlieren sollte, und ihm Gerechtigkeit in den darauf folgenden Bundesberufungsinstanzen bis hoch zum U.S. Supreme Court verweigert werden sollte, erlauben die Gesetze von Pennsylvania noch eine PCRA-Anhörung über einen Antrag auf ein neues Verfahren. Dies bringt uns zum Zitat am Anfang des Artikels zurück. Dieser Abschnitt der Pennsylvania Gesetze zur Strafprozeßordnung, die die Kriterien für einen zweiten PCRA-Berufungsantrag festlegen, ist schon etwas ironisch. Wenn es je einen Fall gegeben hat, der so unfair war, daß ein Justizirrtum stattfand, das keine zivilisierte Gesellschaft tolerieren kann, dann ist es der Fall Mumia Abu-Jamal. Die Tatsache, daß so etwas einfaches wie eine faire und anständige Anhörung der Fakten vor einem Gericht, das nicht darauf aus ist, Mumia aus politischen Gründen zu töten, so vollständig unerreichbar war, sollte uns jeden Tag daran erinnern, mit was für einem System wir es zu tun haben.

Zusammenfassend möchte ich betonen, daß wir hier die juristischen Aspekte des Kampfes besprochen haben. Es ist eine wichtige Arena für den Kampf, aber es ist ihre Arena, wo ihre Spielregeln herrschen. Die Menschen werden in dieser Arena kämpfen, aber wir haben auch eine breitere Arena, wo WIR einige der Regeln bestimmen. Es ist sehr wichtig, daß wir nicht den kritischen Moment verpassen, wenn das Pennsylvania Supreme Court seine Entscheidung fällt, und daß wir nicht denken, "Ach, das heißt nicht viel, da wird es eine Aussetzung der Hinrichtung und neue Berufungsverfahren geben". Im Gegenteil, eine negative Entscheidung wurde ein politische Entscheidung, Mumia hinzurichten, signalisieren, und er wäre sofort in der beschleunigten Bundeshinrichtungsmühle drin. Schon jetzt wiegt der Pennsylvania Supreme Court ab, wieviel Ungerechtigkeit er sich leisten kann. Wir müssen einen öffentlichen Druck erzeugen, der das Gericht dem Eindruck vermittelt, daß seine einzige Option ist, einen legalen Vorwand zu finden, der es ihm erlaubt von einer Hinrichtung unseres Bruders Mumia Abu-Jamal zurückzuweichen. Und wir müssen darauf vorbereitet sein, den Kampf auf einen ganz anderen Niveau zu führen, wenn sie gegen ihn entscheiden.

 
Quelle: Solidaritätsbündnis "Free Mumia Abu­Jamal", Hamburg
www.nadir.org/nadir/initiativ/maj/
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