junge Welt Feuilleton 29.10.1999

Leserbriefe: Ehrenbürgerschaft für Mumia Abu-Jamal


Erfreut habe ich die Initiative der Roten Hilfe Göttingen zur Verleihung einer Ehrenbürgerschaft für Mumia Abu-Jamal zur Kenntnis genommen und möchte diese unterstützen. (...)

Der von der Todesstrafe bedrohte farbige US- amerikanische Journalist ist eine bedeutende Persönlichkeit und hat sich für die Einhaltung der Menschenrechte engagiert. Als Radiojournalist war er bekannt für seine engagierte Berichterstattung über Fälle von Polizeibrutalität und Rassismus bei den Behörden. Er ist Autor mehrerer Bücher über die Todesstrafe und über inhumane Haftbedingungen in den USA und hat bereits im Todestrakt mehrere hohe Auszeichnungen erhalten. So ist er unter anderem ehrenhalber Vizepräsident einer US- amerikanischen Anwaltsvereinigung, hat einen Ehrentitel der Rechtswissenschaften der New School of Law in San Francisco und 1997 einen Preis der dänischen Solhvervfonden Stiftung erhalten.

Abu-Jamal wurde in einem fragwürdigen Gerichtsverfahren zum Tode verurteilt, weil er 1982 einen Polizisten erschossen haben soll. Im Gerichtsverfahren haben sich die Belastungszeugen gegenseitig widersprochen, Entlastungszeugen wurden nicht zugelassen und Abu-Jamal wurde es verwehrt, sich selbst zu verteidigen. Der urteilende Richter gehört einer Loge an, die sich öffentlich für die Hinrichtung Abu- Jamals einsetzt.

Die Stadt Göttingen könnte mit der Verleihung der Ehrenbürgerschaft an Abu-Jamal auch ein Zeichen für Menschlichkeit setzen und einen engagierten Verfechter für Menschenrechte vor einer womöglich ungerechtfertigten Todesstrafe bewahren. Sie würde hiermit dem Beispiel des Kopenhagener Distrikts und der Stadt Palermo folgen, die beide Abu-Jamal die Ehrenbürgerschaft verliehen haben.

Ich möchte aus diesen Gründen an die Mitglieder des Stadtrates appellieren, die Ehrenbürgerschaft für Mumia Abu-Jamal bei der nächsten Stadtratssitzung zu beschließen. Die Zeit drängt!

Else Bräutigam, Ehrenbürgerin Göttingens