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Gleichzeitig bestätigte er Mumias Verurteilung von 1982 wegen Mordes in einem besonders schweren Fall, und zwar an dem Polizeibeamten Daniel Faulkner aus Philadelphia - trotz der vielen Ungereimtheiten im ersten Prozess und der Tatsache, dass jemand anderes, nämlich Arnold Beverly, inzwischen das Verbrechen gestanden hat.
Juristische Bedeutung der Entscheidung
Falls sie Bestand hat bedeutet Yohns Entscheidung, dass der Staat Pennsylvania entweder innerhalb der nächsten sechs Monate ein neues Verfahren zur Feststellung des Strafmaßes abhalten muss (dabei wird dann eine andere Jury das Todesurteil bestätigen oder Mumias Strafe in lebenslänglich ohne Haftentlassung umwandeln). Der Staat kann aber auch vor einem höheren Gericht die Entscheidung Yohns anfechten, um dadurch das Urteil der ersten Instanz zu bestätigen.
Die Staatsanwältin Lynne Abraham aus dem Distrikt Philadelphia gab sofort nach Yohns Bekanntmachung eine Pressekonferenz und kündigte Berufung an. In den folgenden Wochen jedoch schienen einige der schärferen Verfechter von Mumias Hinrichtung auf dem Rückzug, die anfänglich wortstark eine Berufung gefordert hatten. Nun meinten sie, das würde nur jahrelange Gerichtsverfahren verursachen und Publizität für Mumia bedeuten. Einige haben daher auf eine Rücknahme von Abrahams Einwände gegen Yohns Entscheidung spekuliert - auch wenn zur Zeit die Berufung noch anhängig ist. Verteidiger von Mumia planen ihrerseits eine Anfechtung von Yohns Festhalten am Urteil der Erstinstanz; während des schwebenden Verfahrens ist Yohns Entscheidung ausgesetzt. Mumia bleibt weiterhin in der Todeszelle.
Eine Schlüsselfrage der Verteidigung ist die Frage des Rassismus bei der Auswahl der ursprünglichen Geschworenen. Über die Jahre wurde das Bestreben der Staatsanwaltschaft von Philadelphia umfangreich dokumentiert. Schwarze, und
ganz besonders junge afroamerikanische Frauen bei Mordprozessen aus der Jury auszuschließen. Während Mumias Prozess erlaubte Richter Albert Sabo der Anklage, exzessiv Schwarze als Jurymitglieder in Frage zu stellen. Im Ergebnis bestand die Jury aus zwei Schwarzen und zehn Weißen, und das in einer Stadt, in der die überwältigende Mehrheit Schwarze sind.
Richter Yohn lehnte es ab, die rassistische Wahl der Geschworenen als Verletzung von Mumias verfassungsmäßigen Rechten anzuerkennen. Aber er gestand bezüglich dieses Teils seiner Entscheidung so etwas wie ein ,Berufungszertifikat' zu. Dies ist eine Zustimmung im Voraus, dass ein höheres Bundesgericht seine Entscheidungen überprüfen kann. Für alle anderen Entscheidungen, die Yohn ablehnend beschied, kann die Verteidigung das Bundesberufungsgericht und/oder das höchste Gericht der USA anrufen. Aber bei den Dingen, in denen es kein ,Berufungszertifikat' gibt, ist es der Verteidigung schwieriger, einem höheren Gericht zu erklären, warum es sich überhaupt mit dieser Angelegenheit befassen soll.
Sowohl Aktivistinnen der Bewegung für die Freilassung Mumias als auch jene der Kampagne für seine Hinrichtung äußerten ihre Entrüstung über die unmittelbaren Folgen von Yohns Entscheidung. Die Witwe des erschossenen Polizeibeamten Maureen Faulkner nannte Yohn einen ,kranken Mann', der "eine Entscheidung wie diese vor Weihnachten treffen kann".
Auch langjährige Aktivisten der Verteidigung waren verärgert, weil Yohn den ersten Schuldspruch aufrecht hielt. Die Organisation "International Concerned Family and Friends of Mumia Abu-Jamal" erklärte: „Die Leute wissen, dass Mumia unschuldig ist, die Leute wissen, dass der Ankläger, der Richter und Mumias eigener Anwalt zusammenarbeiteten, um ihn in den Todestrakt zu schaffen. Die Leute wissen von dem falschen Geständnis, das sie Mumia anheften wollen, der Einschüchterung von Zeugen, den Lügen
der Bullen. Die Leute haben inzwischen auch den gesehen, der den Mord an Daniel Faulkner gestanden hat. Wie kann danach noch ein gesunder Mensch sich zurücklehnen und denken, diese lebenslange Haft sei akzeptabel, berechtigt, gerecht, fair oder ein wirklicher Sieg. Sie ist es nicht. Das Einzige, was dieses System an dieser Stelle tun kann, ist Mumia frei zu lassen, denn er ist unschuldig und die Leute sollten sich mit nichts anderem zufrieden geben."
Yohns Revision des Todesurteils wird von Mumias Unterstützerlnnen gleichzeitig als etwas gesehen, wozu wir das Establishment in dem Jahrzehnte langen Kampf um Gerechtigkeit gezwungen haben. Es bedeutet den ersten Bruch in der politischen und rechtlichen Mauer, mit der man sich beharrlich geweigert hatte, auch nur irgendein Problem mit dem ersten Prozess anzuerkennen. Yohn musste zugeben, dass wenigstens ein Aspekt - die Anhörung für das Strafmaß - mit „nicht heilbaren" Fehlern behaftet war. Der Schluss ist sicherlich berechtigt, dass dies das Ergebnis massiven politischen Drucks aus den USA und der restlichen Welt war. Unsere Bewegung bleibt also eine Kraft, auf die es ankommt.
Und dies erklärt auch die Wahl, die von Elementen des politischen und Rechtsestablishments getroffen wurde, das daran denkt, Yohns Entscheidung einfach zu akzeptieren statt weitere Berufungsverhandlungen anzustrengen. Offensichtlich hoffen sie, unseren Kampf durch das Ausräumen des besonderen Punktes der Todesstrafe zu schwächen. Auf der anderen Seite haben sich die pro-Mumia-Aktivistinnen aber geschworen, sich nicht vom eingeschlagenen Weg abbringen zu lassen. Eine Demonstration und Schulungsveranstaltungen sind für den 6. April in Philadelphia geplant, um zu zeigen, dass der Kampf um Gerechtigkeit so lange anhalten wird, bis Mumia aus dem Gefängnis freikommt.
Steve Bloom, 14. Januar 2002
Der Autor ist Mitglied der New York Free Mumia Abu Jamal Coalition. Übersetzung: Walter Wiese
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