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  Interview mit Clark Kissinger
Am 22. Mai 2001 geführt von Schüler Aktiv für Mumia
 
 

Am 22. Mai, in Downtown New York, im Stadtteil China Town, zentral am Broadway trifft Schüler Aktiv für Mumia aus Hamburg Clark Kissinger, den nationalen Koordinator der Mumia Kampagne in den USA und zeichnete dieses Interview auf, welches am 7. Juni auf FSK 93;00 in Hamburg ausgestrahlt wurde.


F: Wir haben unsere Hörer vom MAJ-Magazin über deine Festnahme zwar informiert, würden uns aber wünschen, dass du in deinen eigenen Worten noch einmal zusammenfasst, was dir im letzten Jahr, als Mumia Unterstützer passiert ist.

Kein Problem. Ich wurde ins Gefängnis geschickt, weil ich damals am 1. August 2000 in Philadelphia eine Rede gegen die Regierung und gegen die Todesstrafe gehalten habe, während die Republican National Convention im Gange war.
Aber die Vorgeschichte, die dazu geführt hat, war, dass ich am 3. Juli 1999 gefangengenommen wurde, bei einer Demonstration für Mumia an der Liberty Bell in Philadelphia. Die Liberty Bell ist ein Regierungsgebäude, so dass die Anklage gegen mich keine local, oder state charges gewesen sind, sondern federal charges (bundesstaatlich nicht zivil; hängt mit dem US-Justizsystem zusammen und ist mit deutschem Recht nicht mittelbar vergleichbar; SAFM) und an jenem Tag wurden ungefähr 97 Menschen festgenommen, und haben eine Anklage bekommen, mit der man zwei Sachen machen konnte. Entweder man nahm sie hin, und tat nichts dagegen, so dass man gleich in den Knast wanderte, oder man plädierte auf unschuldig und forderte ein Verfahren, so wie es sechs andere und ich gemacht haben. Wir bekamen sofort das Verfahren und wurden auch sofort für schuldig befunden, obwohl wir Fotos hatten, die bewiesen, dass wir nicht das getan haben, womit wir belastet wurden.
Sie benutzen in der Folge ein sehr hartes Gesetz gegen uns, welches hierzulande als supervised probation bezeichnet wird, das heisst, ich durfte die Gegend von New York nicht verlassen, ohne eine gerichtliche Einverständnis, sie konnten in mein Haus kommen, und darin suchen was sie wollten, zu jeder Zeit, ich musste jeden Monat alle möglichen Formulate ausfüllen, in denen drinsteht, mit wem ich kommuniziert habe, wo mein Geld hergekommen ist, und womit ich meine Zeit verbracht habe. Ich habe mich aber geweigert diese Formulate auszufüllen, habe es nie getan. Außerdem haben sie meinen Pass und meinen Reisepass konfesziert, so dass ich nicht reisen konnte, schon gar nicht international.
Aber der eigentliche Grund für all das war, dass ich nicht mit verurteilten Menschen kommunizieren konnte. Die Absicht war also, es zu verhindern, dass ich weiterhin mit Mumia kommuniziere. Die Strafe war darauf zurechtgeschnitten, dass ich keine Mumia-Arbeit mehr machen konnte: Ich konnte nicht reisen, ich konnte nicht mit Mumia reden, ich konnte nicht mit anderen Leuten reden, die wegen kleinerer Vergehen angeklagt gewesen sind, ich konnte mit niemandem reden, mit dem ich im Allgemeinen rede...(lacht).
Ich weiß das, weil immer wenn ich um Erlaubnis bat, meine Mutter zu besuchen, bekam ich eine, aber wenn ich aus politischen Gründen reisen wollte, bekam ich keine. Daran sieht man eindeutig, dass der eigentliche Grund für diese Strafe, dieses Urteil, welches für ein Jahr anhielt, darin lag, mich zu stoppen in meiner Mumia Arbeit.

Als dann damals am 1. August die Republican National Convention in Philadelphia war, brachte das eine große Anzahl von Hinrichtern in diese Stadt. Ich rede von George W. Bush, der mehr als 137 Menschen im Staate Texas hat hinrichten lassen, der Gouverneur von Pennsylvania Thomas Ridge, der zwei Hinrichtungstermine gegen Mumia unterzeichnete. All diese Leute kamen nach Philadelphia in einer Zeit, in der die Dokumente über Mumias Fall noch nicht lange bei dem unabhängigen Bundesrichter Yohn lagen. Ich fühlte, dass es sehr wichtig war, dass ich und viele andere Leute zu dieser Zeit nach Philly gingen und protestieren. Also ging ich und hielt eine Rede. Ich habe eigentlich gar nicht an den Demonstrationen teilgenommen, ich bin einfach zum Thomas Payne Platz gegangen, sprach dort für 15 Minuten und ging wieder. Später wurde ich deswegen zu Gericht bestellt, und verurteilt, wegen Missachtung der supervised probition und wurde zu Freiheitsentzug für 90 Tage verurteilt.
Und soweit ich das im Nachhinein überblicken kann, bin ich der erste, der ins Gefängnis gehen musste, weil er eine Rede gehalten hat seit H. Depts, der der Vorsitzende der sozialistischen Partei gewesen ist, und sich während des ersten Weltkrieges gegen die Teilnahme der USA in diesem Krieg ausgesprochen hat.
Das alles zeigt im Grunde also nur, wie abgestoßen die USA von dieser internationalen Bewegung für Mumia Abu-Jamal und dass sie bereit sind, bis in diese Instanzen zu gehen, um die Bewegung zu stoppen. Aber letztendlich ist es doch so, dass wir jede Attacke auf uns, umkehren zu einer Attacke auf sie selbst.

F: Hast du denn gute Unterstützung gehabt, als du im Knast warst?

Viele Leute haben mich im Nachhinein gefragt, wie es für mich im Knast gewesen ist, und ich antwortete immer: "Du kommst in Kontakt mit einer netteren Sorte Mensch" (lacht). Die Mischung im Gefängnis selbst war dann aber sehr komisch. Es gab Leute, die wegen unerlaubten Drogenbesitzes saßen, oder Leute, die sich wegen Wertpapier-Betrug strafbar machten. Es saßen also Leute um einen herum, die entweder Drogen-Magazine lasen, oder die Wall Street Journal, um herauszufinden, in was man als nächstes am besten investiert (lacht).
Aber viele der Gefängnissinsassen wussten von Mumia, einer, weil er in New Jersey mit Mumias Sohn im gleichen Knast war. Und außerhalb des Gefängnisses waren außerdem Demonstrationen für meine Unterstützung. Außerdem war es uns möglich viel Material um Mumia herum einzuschleusen. Wir haben Kopien bekommen von Terry Bissons neuem Buch "On a Move", und sie verteilt an die anderen ­es war letztendlich also eine sehr interessante Erfahrung.
Damals in Philly hätte ich es beinahe nicht getan, und es war gut, dass ich es gemacht habe, weil letztendlich können wir Mumia nicht befreien, ohne unsere Stimmen gegen die Regierung zu erheben.

F: Jetzt bist du aus dem Knast rausgekommen, und auch die supervised probition ist abgelaufen. Bist du jetzt immer noch so radikaler und wichtiger Unterstützer von Mumia, oder fühlst du dich schwach, nachdem dir deine Grenzen von der Regierung so derart klargemacht wurden?

Oh Nein! Ganz im Gegenteil. Ich fühle mich sogar noch viel stärker. Und die Leute fragen mich auch immer wie Mumia selbst es aushalten kann, solange im Knast zu verharren. Aber wisst ihr Mumia hat so eine derart ideologische Stärke, die aus seinen politischen Überzeugungen und seiner Lebenserfahrung resultiert, und er verfolgt die Weltgeschehnisse sehr aufmerksam, und obwohl er in einer Isolationszelle eingesperrt ist und nicht in Kontakt mit der unmittelbaren Außenwelt ist, so ist er doch in Kontakt mit der Welt, weil er
Radio und TV-Empfang hat. Und weil er so gründlich und genau mit den Geschehnissen in der Welt umgehen kann, versteht er, dass das System, das ihn festhält viel mehr Ärger hat, als er. Und mit dieser Einstellung, die strategisch sehr klug ist, kann man das wahrscheinlich auch nur aushalten. Von wegen: "Hey, ihr seid dienjenigen, die die Problem haben, nicht ich... ."(lacht) Wie auch immer, auch ich habe so gedacht, und so die Zeit im Knast ausgehalten, weil letztendlich zeigt die Regierung doch nur ihre Schwäche, wenn sie Mumia, mich, oder wen auch immer einsperrt, und sie zeigen außerdem, dass sie es zur Kenntnis nehmen, was wir machen. Sie können es nicht ignorieren, und versuchen es zu stoppen.

F: Und hast du mitgekriegt, dass andere wichtige Unterstützer ihre Arbeit geändert haben, oder vorsichtiger geworden sind, weil du in den Knast gekommen bist?

Ich glaube nicht, dass irgendjemand seine Arbeit geändert hat. Meine Situation war auch eine ganz spezielle, weil ich unter dieser richterlichen Ordnung stand, die besagte, dass ich nicht reisen und reden darf. Ich hatte damals ja auch nach einer Erlaubnis gefragt, die Rede halten zu dürfen, und es wurde mir verboten. Ich habe also gegen eine richterliche Ordnung verstoßen. Die meisten Leute in der Mumia Bewegung sind ja nicht in dieser Situation. Deshalb setzen die meisten Mumia Unterstützer ihre Arbeit fort, weil früher oder
später, wir wissen nicht wann, wird Mumia diese größere Aufmerksamkeit in Philadelphia haben, und wir versuchen natürlich die Leute aus den ganzen USA und der ganzen Welt an diesem Tag nach Philadelphia zu mobilisieren (Die Rede ist von Tag X; SAFM).

F: Lass uns über die neue Situation in Mumias Fall reden: Es war im März, als Mumia sein Anwaltsteam gefeuert hat und Mitte April, als er das neue Anwaltsteam präsentiert hat. Was denkst du über diesen Schritt von Mumia der ja doch ein sehr schwerwiegender ist?

Ich denke zunächst einmal zwei Sachen: Erstens: Mumia hat das Recht das Anwaltsteam zu haben, das er haben will. Welche Anwälte seine gewünschte Art von Verteidigung am besten machen soll er selbst beurteilen. Es geht also nicht um Anwälte, es geht darum, wie er seinen Fall verteidigt haben will. Ich denke Mumia hat schon immer gewisse Vorstellungen davon gehabt, wie er verteidigt werden möchte, und sein altes Anwaltsteam konnte diese Vorstellungen wohl nicht genau verwirklichen. Es geht also auch nicht um den individuellen Anwalt, sondern um seinen Fall ansich.

Und zweitens: Gerade jetzt geht es auch um die habeas corpus in Mumias Fall am Gerichtshof. Es geht darum, dass Mumia an einem noch unbekannten Tag nicht nur selbst reden darf, über das, was ihm damals passiert ist, sondern auch für ihn wichtige Zeugen präsentieren darf, nämlich solche, die beweisen können, dass er nicht der Todesschütze auf Daniel Faulkner war. Welche Vorstellung Mumia von seiner Verteidigung hatte, zeigt sich jetzt, wo all diese neuen Menschen auf die Oberfläche kommen und Mumia entlasten. Die wichtigsten Personen, die gesprochen haben sind erstmal Mumias Bruder, und Mumia selbst, sowie ein Individuum, der von sich behauptet er sei der eigentliche Täter gewesen. Außerdem sprach ein Reporter, Len Washington, den ich sehr gut kenne, der aussagt, den Ort des Geschehens in jener Nacht gesehen zu haben, und im Krankenhaus von anderen Augenzeugen gehört zu haben, wie die Polizei Mumia verprügelte. Und der fünfte Zeuge ist ein Typ von einer Regierungsinstanz der über die Polizeikorruption spricht, diese hat nämlich damals Verträge abgeschlossen mit Nachtclubs, wo Prostitution betrieben wird, und Drogen vertickt werden, damit die Betreiber dieser Nachtclubs Geld an sie zahlen, damit sie nicht festgenommen werden.
Das erste Mal seit 20 Jahren hat Mumia also darüber gesprochen, was damals in jener Nacht passiert ist, als der Polizist Daniel Faulkner erschossen worden ist. Man muss bedenken, dass jede Gerichtsverhandlung die Mumia hatte, von Judge Sabo geführt hatte, der Mumia wichtige Grundrechte verweigert hatte, weswegen Mumia niemals gesagt hat, was in jener Nacht passiert ist (Mit der Begründung: Ich will alle meine Rechte, nicht nur einige..., SAFM). Es scheint also, als wolle Mumia mehr Druck auf den Gerichtshof und Staatsanwaltschaft ausüben, jetzt endlich mal zu handeln. Der unabhängige Richter Yohn sitzt seit zwei Jahren auf dem Fall und tut nichts. Er hat damals sogar die amicus briefs verweigert (amicus briefs sind Petitionen, die von dritten Personen oder Organisationen eingereicht werden, und die ein Interesse am Ausgang des Urteils sowie entlastende Beweise des Angklagten präsentieren. Diese kamen damals von vier verschiedenen Organisationen, wie zum Beispiel Mitgliedern des britischen Parlaments, der National Lawyer Leage, NAACP und HumanRightsWatch, SAFM). Und Mumia will jetzt den Tag seiner Anhörung erzwingen eben mit diesen neuen Beweisen und Zeugenaussagen und dem Anwaltsteam, dass die selben Taktiken hat, wie er. Wir hoffen jetzt natürlich, dass Richter Yohn diese neuen Mumia entlastenden Beweise zulässt.

F: Glaubst du wirklich, dass Yohn auf dem Fall sitzt und nichts tut?

Ich glaube das, Ja!, weil ich denke, sie erhoffen sich dadurch, dass wir Mumia Unterstützer müde werden und einschlafen. Ich glaube der Grund für das Hinauszögern des Tag X ist, dass damals im Frühjahr 2000 unglaublich viele Leute für Mumia Abu-Jamal auf die Straße gegangen sind. Im Oktober 99 machte der Richter einen starken Druck auf Mumias Anwälte, forderte sie auf sich zu beeilen, und alles sah so aus, als würde Mumia in den nächsten zwei Monaten im Gerichtsaal sitzen. Aber dann gab es riesige Demonstrationen in diesem Land, es gab die Rally im Madison Square Garden mit mehr als 6000 Leuten, es gab zivilen Ungehorsam, Artikel von Professoren und Künstlern in der New York Times und einfach viele Dinge dieser Art, die die Regierung dazu zwangen zu sagen:
"Besser wir bringen Mumia nicht jetzt in den Gerichtshof. Besser wir warten noch eine Weile, weil dann die Bewegung vielleicht ausstirbt." Und das ist letztendlich was sie wollen. Sie wollen, dass wir müde werden, uns für andere Dinge interessieren. Es sieht fast so aus, als würden sie uns zu einem "Waiting-Game" herausfordern. Sie schauen, ob wir länger warten können, als sie. Wir versuchen aber natürlich den Druck auf sie aufrecht zu erhalten. Und jedes Jahr kommt eine neue Generation von Schülern an die High Schools, für die der Fall neu ist, und die mitmachen in der Unterstützung von Mumia, und zur gleichen Zeit kommen immer wieder neue interessante Materialien dazu, wie zum Beispiel das Buch von Terry Bisson, "On a Move", welches das Leben von Mumia erzählt, der amnesty international Report, Mumias Bücher, die Sachen um die juristische Lage auf der Refuse & Resist! Website (www.refuseandresist.org) und solche Dinge. Und diese Dinge halten den Fall aktuell. Auch, weil er eine Art Showdown für die Todesstrafe in den USA gewor-den ist. Mehr und mehr Leute werden von der Todesstrafe befreit, nachdem bewiesen werden konnte, dass sie eigentlich unschuldig sitzen, so wie letztes Jahr in Illinois, als 11 Menschen freigesprochen werden mussten, nachdem ihre Unschuld bewiesen wurde (seitdem ist in Illinois auch ein Moratorium auf die Todesstrafe verhängt, SAFM). Aber es gibt trotzdem noch mehr als 3700 Menschen, die in diesem Land auf ihre Exekution warten.

Es gibt nur noch wenige Länder, die die Todesstrafe benutzen, es sind die USA, China, Iran, Länder wie diese, ich weiß nicht, ob es noch irgendein europäisches Land gibt, sogar in der Ukraine wurde die Todesstrafe erst kürzlich abgeschafft. Das einzige moderne Industrieland, dass die Todesstrafe benutzt ist Japan, aber die haben nur 50 Todesstrafenkandidaten. Vergleicht das mit den über 3700 in den USA. Und hier werden es auch immer mehr. Es ist ­so kann man sagen eine terroristische Kampagne gegen die Massen. Zu den 3700 Menschen im Todesknast, kommen weitere 2 Millionen Menschen in normalen Gefängnissen, und weitere 4 Millionen, die unter einer direkten Gerichtsordnung stehen, so wie ich es war. Macht alles in allem mehr als 6 Millionen Menschen, die unter der direkten Kontrolle von Polizei Autoritäten sind. Das alles passiert zu einer Zeit, wo die wirtschaftliche Kraft, und der Rassismus immer stärker werden, man kann es vergleichen in Europa mit den Angriffen auf die Einwanderer. Wir haben nicht nur die Angriffe auf die Einwanderer, sondern auch die verstärkte Unterdrückung auf ethnische Minderheiten in diesem Land, insbesondere gegen Afroamerikaner.

F: Eine weitere Frage zu den neuen Entwicklungen in Mumias Fall. In Deutschland hören wir zu den aktuellen Ereignissen meistens nur Statements und Kommentare von Mumia Unterstützern, wie zum Beispiel von Refuse & Resist!, MOVE, usw.. Was sagen denn Mumias Gegner zu den neuen Aussagen? Die Arschlöcher vom FBI, von der FOP, der Polizei, Regierung oder den allgemeinen Medien?

Sie sagen zwei Sachen: Erstens versuchen sie es natürlich lächerlich zu machen. Über Jahre hinweg sagen sie, "Mumia hat nie gesagt, was damals passiert ist, also was erwartet ihr, wird er jetzt sagen. Ihr könnt ja wohl nicht glauben, was er da sagt..." Ihr müsst bedenken, dass was immer die Mumia Kampagne gemacht hat, was immer Mumias Anwälte gemacht haben und was immer Mumia selbst gemacht hat, sie haben es angegriffen. Worum es jetzt geht, dass der Gerichthof und Richter Yohn die neuen Beweise zulässt und überarbeitet, allerdings gehe ich davon aus, dass er das nicht tun wird. Eher wird er sagen, dass es dafür zu spät ist, so dass wir in andere Instanzen gehen müssen, um das zuzulassen.
Also was die Gegner sagen ist auch nicht so wichtig, solange wir vor Augen haben, dass wir die Hinrichtung stoppen wollen, einen neuen fairen Prozess wollen, und letztendlich Mumia befreien wollen. Das wird nicht über Nacht passieren. Sicherlich nicht. Aber wir sind sehr zuversichtlich, dass das getan werden kann. Und dabei spielt natürlich die internationale Bewegung eine wichtige Rolle.

F: Also glaubst du auch nicht, dass die Mumia Kampagne eine neue Strategie braucht, weil die Anwälte eine neue Strategie haben?

Nein, das glaube ich nicht, weil die politische Kampagne nie in die komplexen und komplizierten juristischen Dinge interessiert war. Die meisten Leute begeistern sich nicht für die Unterstützung Mumias, wegen diesem technischen Kram, sondern sie unterstützen ihn hauptsächlich, weil sie wissen, wofür er steht, und weil sie wissen, wofür seine Gegner stehen. Und zweitens sind sie begeistert von seiner Person, die sich weigert Aufzugeben. Es konnte auch noch zehn Tage sein (1995, SAFM) , bis zu seiner Exekution, und er fragte trotzdem nicht nach Gnade, tat nie auf gut Freund mit der Regierung, oder tat, als hätte er Gott gefunden. Er war seinen Prinzipien treu geblieben.
Stattdessen sprach er weiterhin aus, wofür das System und die Regierung steht, und zeigte den Leuten den klaren Feind und dafür lieben sie ihn. Und der dritte Grund ist natürlich, weil sie wissen, dass er unschuldig hinter Gittern sitzt, das er höchstens aus diesen politischen Überzeugungen heraus sitzt und die Regierung in seinem Fall zeigen will, dass wenn man sich als junger Afroamerikaner revolutionären Ideen verschreibt, man ein toter Revolutionär ist. Das ist die Botschaft, die sie an das Volk dieses Landes richten wollen.

F: Wir sind Schüler Aktiv für Mumia aus Hamburg / Deutschland und auf der Basis des bundesweiten Schüler- und Jugendnetzwerkes für Mumia. Das heißt, dass wir eine Gruppe sind, die aus jungen Leuten besteht. Was denkst du über die Jugendlichen und jungen Menschen. Welche Rolle spielen sie im Kampf für Freiheit im Fall Mumia Abu-Jamal?

Die Jugendlichen sind das Herz der Kampagne. Wenn man zu den Demonstrationen für Mumia in den USA geht, es war mir noch nicht möglich zu einer in Europa zu gehen, sieht man, dass 90 Prozent der Teilnehmer Jugendliche sind, und ich denke es gibt zwei Gründe dafür. Erstens: Jugendliche sind sensibler wenn es um Freiheit geht. Sie sind nicht eingefahren in diesen Kariere Scheiß, in irgendwelche Jobs, und all diesen Stoff der dich irgendwann fertig macht.
Und der andere Grund ist, das junge Menschen auch sensibler sind, wenn es um Ungerechtigkeiten geht. Wenn man älter ist, nimmt man die Dinge leichter hin, während man als Jugendlicher desöfteren sagt: "Hey, wart mal ne Minute, das ist nicht richtig". Das ist eine sehr wertvolle Sache bei jungen Menschen.
Ich glaube das diese zwei Dinge, das Streben nach Freiheit, und die Verweigerung Dinge zu akzeptieren, die eindeutig falsch sind, die Jugendlichen zum Herz der Kampagne machen.
In dieser Zeit geht es aber auch vor allem darum, dass wir alle Menschen vereinen, um das Leben von Mumia Abu-Jamal zu retten... Verschiedene Arten von Menschen, spielen verschiedene Arten von Rollen in dieser Gesellschaft, und es gibt auch verschiedene Arten von Protest. Was wir jetzt im Grunde sehen, ist, das die Regierung versucht zu Warten, und mit dem Warten versucht die Stimmung im Fall Mumia herauszunehmen. Sie versuchen herauszufinden, ob es irgendwie möglich ist, Mumia aus den Köpfen der verschiedenen Menschen herauszukriegen, und was wir ihnen signalisieren müssen ist: "Nein, zu welcher Art von Mensch auch immer ihr geht, Mumia kriegt ihr nicht aus unseren Köpfen heraus".

Wisst ihr, die Regierung ist abhängig von diesen Menschen, die mit einer Kindergesichttreue an die Regierung glauben, von wegen: "Niemand wird in der Todeszelle sein, wenn er unschuldig ist". Die Regierung braucht auch die Leute, die denken, das mit dem Justizsystem nichts falsch ist. Und wenn die Menschen sehen, wie das System wirklich arbeitet, werden sie gefährlich für die Regierung, weil sie diese netten, mittelklassigen Leute braucht, die an das System glauben. Gibt es diese Leute nicht, wird es einfach schwierig für die Regierung, wie zum Beispiel im Vietnam Krieg, wo plötzlich tausende von Menschen auf die Straße gingen und sagten: "Hey, wart mal ne Minute, die Regierung lügt uns an". Plötzlich kamen aus allen möglichen Instanzen und gesellschaftlichen Bereichen die Leute an die Front und machten Druck auf die Regierung, und das ist wichtig. Und an dieser Stelle spielen die Jugendlichen eine avantgardistische Rolle. Ich sage immer, die Bewegung muss groß, breit und konsequent sein. Und was ich damit meine: Sie muss groß sein heißt, sie muss wirklich zu Millionen von Menschen sprechen, sie muss breit sein, weil sie darf nicht nur von den Afroamerikanern getragen werden, sie darf nicht nur von Menschenrechtlern getragen werden, sie darf nicht nur von Jugendlichen getragen werden, sie muss von allen getragen werden, und wenn es soweit ist, muss sie konsequent sein. Konsequenz hat viele Formen, aber ich meine, man darf dann nicht aufgeben. Wir wollen die Freiheit von Mumia, wir fordern die Zulassung der ihn entlastenden Beweise, und wir lassen die Hinrichtung nicht zu. Und diese Botschaft muss der Regierung von allen möglichen Orten entgegengebracht werden. Und Orte, wo sie die Botschaft immer wieder zur Kenntnis nehmen, sind die, wo Protest International stattgefunden hat.

F: Und warum denkst du, unterstützen die Menschen in Deutschland und auf der ganzen Welt Mumia?

Aus zwei Gründen: Der erste ist, das viele Leute wissen, welche Rolle die USA in der Welt spielen. Und sie würden es liebend gerne sehen, wie die USA in dieser Rolle abkacken (lacht).... Ich sage immer, wenn du dir eine Welt ohne die USA vorstellst, bist du auf dem Weg dir eine großartige Welt vorzustellen... Es gibt im Grunde also eine große Stimmung von Misstrauen und Hass, gegen das was die USA weltweit tun. Diese Menschen suchen nach Ansatzpunkten zur Kritik und finden sie gerade da, wo die USA mit Menschenrechten
argumentieren.

Ich denke der andere Grund für die Unterstützung Mumias ist der selbe wie in den USA: Die Menschen sind sehr beeindruckt von dem, wofür Mumia steht, was er tut, was er schreibt und dem Beispiel, was er setzt, in dem er nicht aufgibt. Das alles ist sehr inspirierend für die Menschen, nicht nur in diesem
Land, sondern auch auf der ganzen Welt. Und ich glaube das ist der Grund, warum sie in der ganzen Welt auf die Straße gehen.

Eine wichtige Sache will ich den Leuten in Deutschland und überall sonst auch noch mitteilen: Die USA schenken diesem internationalem Protest eine ungeheuer große Aufmerksamkeit. Vielleicht denkt ihr oft, dass ihr zum US-Konsulat oder zur US-Botschaft geht, dort herumsteht, eure Parolen ruft, und zum
Schluss passiert doch nichts. Aber jedesmal wenn ihr das tut, gehen Mitteilungen in Form von Anrufen und Dokumenten von Hamburg nach Berlin, von Berlin nach Washington, und einige dieser Dokumente konnten wir sogar sehen. Einer von vielen Unterstützern von Mumia ist Robert Milford, einer der überlebenden
Söhne von den Rosenbergs, die in den 50ern von den USA umgebracht wurden. Und er hat Dokumente von der Botschaft aus Paris, wo viele Proteste gegen die Hinrichtung der Rosenbergs stattgefunden haben, eingesehen. Die Worte des Botschafters aus Frankreich nach Washington waren:
"Ich wünsche mir wirklich, dass sie diese Hinrichtung absagen würden, weil hier stehen Tausende von Leuten, die sich dagegen aussprechen, und ich kann dafür garantieren, dass es Probleme geben wird, wenn die Rosenbergs tatsächlich exekutiert werden."

Eine weitere Sache die ich gerade neulich erst im Time Magazin gelesen habe: Ein Botschafter aus Frankreich, es war wieder Paris, erzählt, dass, woimmer er auch hingeht, ihm als erstes die Frage gestellt wird, was mit der Todesstrafe in den USA ist. Wisst ihr was das zeigt? Ihr müsst weitermachen! Ihr müsst eure Arbeit fortsetzen! Es gibt soviel Bewegung international gegen die USA. Gerade kürzlich wurde von der UN ein Apell an die USA gerichtet, dass sie ein Moratorium auf die Todesstrafe verhängen sollen, und als sie das nicht gemacht haben wurden sie aus der Menschenrechtskommission der UNO rausgeschmissen. Und man kann nur hoffen, dass noch viel mehr Dinge in dieser Art passieren, die letztendlich dazu beitragen die USA zu isolieren.

Den USA muss ihre Rolle peinlich sein, und das geht nur, wenn den Menschen überall klar ist, dass das US-Empire keine Grenzen hat und das sie nur so tun, als seien sie der Verteidiger der Menschenrechte schlechthin, obwohl sie eigentlich der größte Unterdrücker sind. Nicht nur in den USA sondern weltweit.

Das Interview führten Sarah und Tom, von SAFM aus Hamburg...

 
Das Interview auf CD
Alle die das Interview auf Audio-CD haben möchten, können weitere Infos über Email einholen: safm@gmx.net

Siehe auch:
Zusammenfassung der juristischen Repressalien gegen C. Kissinger, Frances Goldin u.a. MAJ Unterstützer - C. Clark Kissinger, 6. Juni 2000 (10.12.2000)
Aktivist im Kampf, die Hinrichtung Mumia Abu-Jamals zu stoppen wird zu Haftstrafe verurteilt Folgende sind Teile aus dem Aufruf von Refuse and Resist! Wir hoffen, daß ihr alle schnell handelt! Für die Sofortige Freilassung!
Verteidigt diejenigen, die Mumia verteidigen - Keine Haftstrafen für Proteste gegen den Parteitag der Republikaner (RNC)
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