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Ein Kampf über Jahre
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Am 18. Dezember letzten Jahres hat US-Bundesbezirksrichter William H. Yohn den Schuldspruch des Staatsgerichts von Pennsylvania bestätigt, wonach Mumia Abu-Jamal für den Mord an dem Polizisten Daniel Faulkner verantwortlich gemacht wird. Nur in bezug auf den Punkt 25 von Abu-Jamals Berufung vor dem Bundesbezirksgericht hat Yohn entschieden, daß der Vorsitzende Richter Albert Sabo im Verfahren 1982 die Geschworenen falsch über den Teil ihrer Entscheidung instruiert hat, der das Strafmaß betrifft. Richter Sabo hat die Mitglieder der Jury angewiesen, einstimmig zu entscheiden, wenn sie gegen Abu-Jamal eine minderschwere Strafe als die Verurteilung zum Tode aussprechen würden. Das war nicht korrekt. Sie hätten Abu-Jamal auch mit einfacher Mehrheit zu lebenslanger Haft ohne Bewährung verurteilen können. Richter Yohn hob deswegen die Verurteilung zum Tode auf und ordnete an, das Staatsgericht von Pennsylvania habe binnen eines halben Jahres eine erneute Verhandlung zur Strafzumessung vor einer neugewählten Jury anzuberaumen. Im Falle der Unterlassung würde Yohns Anordnung in Kraft treten, die Strafe in lebenslänglich ohne Bewährung umzuwandeln.
Die Staatsanwaltschaft legte jetzt vor dem zuständigen 3. Bundesberufungsgericht Widerspruch gegen Yohns Entscheidung ein, um diesen Beschluß revidieren und Abu-Jamal hinrichten zu können. Es ist nicht klar, wie das Staatsgericht letztlich entscheiden wird, wenn die Staatsanwaltschaft unterliegt. Die Justiz in Pennsylvania befürchtet offenbar, daß es der Verteidigung mit der Wahl einer neuen Jury möglich sein könnte, die entlastenden Beweise – wie z. B. das Geständnis des Berufskillers Arnold R. Beverly, die Fakten über die Polizeikorruption und was sie mit dem Mord an dem Polizisten Daniel Faulkner zu tun hat –vorzubringen. Sie befürchtet, daß sich Geschworene, wenn sie diese Fakten zu hören bekämen, sogar weigern könnten, Abu-Jamal zu lebenslanger Haft zu verurteilen. Michael Smerconish, der Anwalt der Witwe Maureen Faulkner, hat öffentlich erklärt, seine Mandantin werde den Fall nicht weiter verfolgen, wenn es nicht gelänge, den Beschluß von Bundesbezirksrichter Yohn im Wege der Berufung aufzuheben. Man würde sich dann mit der lebenslangen Haft zufrieden geben. Das scheint auch die Meinung der Medien zu sein. Man beugt sich dort dem Druck der internationalen und nationalen Meinung und will den Streit lieber mit lebenslanger Haft beilegen. Abu-Jamals Verteidigungsteam hat ebenfalls am 9. Januar 2002 Berufung gegen Yohns Entscheidung eingelegt, um die Aufhebung des gesamten Urteils gegen Abu-Jamal im Wege der Wiederaufnahme des Verfahrens zu erreichen. Es gibt nur einen Haken: Nach dem »Gesetz zur Bekämpfung des Terrorismus und zur Effektivierung der Todesstrafe« (AEDPA) von 1996 ist es der Verteidigung nur gestattet, in jenen Punkten in Berufung zu gehen, für die Richter Yohn ein »Zertifikat der Zulassung zur Berufung« ausgestellt hat. Von 30 Rügen der Verteidigung hat er nur eine, nämlich den oben schon erwähnten Punkt 25, zugelassen. Er hat aber auch Punkt 16 mittels des erwähnten Zertifikats zur Berufung zugelassen. Mit dieser Rüge hat die Verteidigung geltend gemacht, daß der Ausschluß von elf der 14 vorgeschlagenen schwarzen Geschworenen einen Verstoß gegen die Verfassung darstellt. Daraus ergibt sich, daß die Verteidigung in allen anderen 28 Punkten nicht automatisch das Recht hat, in Berufung zu gehen. Das 3. Bundesberufungsgericht ist deshalb nicht dazu verpflichtet, sich mit diesen Punkten zu befassen. Diese Vorgehensweise ist das direkte Ergebnis des AEDPA, eines reaktionären Gesetzes, das drastisch in das Grundrecht auf Überprüfung der Inhaftierung (»Habeas Corpus«) vor den Bundesgerichten eingreift. Trotzdem wird die Verteidigung beim 3. Bundesberufungsgericht beantragen, in allen 30 Punkten ein »Zertifikat der Zulassung zur Berufung« zu gewähren. Die Entscheidung darüber liegt nun beim Gericht. Zusammengefaßt können wir sagen, daß wir einen entscheidenden Sieg errungen haben, indem die Verurteilung zum Tode aufgehoben wurde. Abu-Jamal lebt, wenigstens im Moment. Das ist ein Resultat unseres langen Kampfes und der bedeutenden Kräfte, die wir an Abu-Jamals Seite versammeln konnten. Aber der Kampf ist noch lange nicht zu Ende. Experten gehen davon aus, daß er vor den Gerichten noch einige Jahre dauern kann, vielleicht drei oder vier oder sogar mehr Jahre. Ich sollte erwähnen, daß Bundesbezirksrichter Yohn nur die Anträge des früheren Verteidigungsteams von Abu-Jamal behandelt hat. Mit Hinweis auf das AEDPA hat der Richter es abgelehnt, sich mit den hinzugefügten Anträgen des neuen Verteidigungsteams zu befassen. In diesen Anträgen ist das Geständnis Arnold R. Beverlys enthalten, der ausgesagt hat, nicht Abu-Jamal, sondern er habe Daniel Faulkner erschossen. Auch gegen diesen bedeutenden Rückschlag wird die Verteidigung in Berufung gehen. Yohn stellte fest, daß das Geständnis von Beverly selbst dann, wenn ihm Glauben zu schenken wäre, zu spät eingereicht wurde. Er stützt seine gesamte Entscheidung auf die Bestimmungen des AEDPA, die besagen, daß er bezüglich der Beweisaufnahme unter Richter Sabo von einer »vermutlichen Korrektheit« auszugehen habe. Wir haben noch einen langen Weg vor uns. Mumia Abu-Jamals Freiheit hängt weiterhin von unserer Fähigkeit ab, den Preis für seine Hinrichtung so hoch wie möglich zu treiben. Dies ist ein politischer Fall, der über allen anderen Fragen steht. Hätte Richter Yohn Abu-Jamal die Freiheit wiedergeben wollen, dann hätte er nur einen oder mehrere von den unzähligen Punkten aufgreifen müssen, die die Verteidigung bezüglich der Beweiserhebung oder der Verstöße gegen die Verfassung vorgebracht hat. Die Kampagne in den USA hat für die kommenden Monate viele Aktivitäten in Vorbereitung, von der Beteiligung an den alljährlichen Martin-Luther-King-Demonstrationen, über ein Benefizkonzert zur Finanzierung der Verteidigung im Februar bis zu einer weiteren Massendemonstration im Mai. Wir haben auch eine führende Rolle dabei gespielt, ein funktionierendes bundesweites Koordinationsteam zusammenzustellen. Wir müssen die Unterstützung für Mumia Abu-Jamal qualitativ verbreitern und den Kampf tiefer in die Schulen, Gewerkschaften und Kirchen hineintragen und so viele Gruppen wie möglich einbeziehen. Mumia Abu-Jamal lebt noch, weil wir diesen Kampf geführt haben. Sie haben es nicht gewagt, ihn hinzurichten, nicht einmal in dem momentanen schwierigen politischen Klima. Ich danke allen für ihre Unterstützung und Solidarität. (Übersetzung: Jürgen Heiser) * Jeff Mackler ist Koordinator der Kampagne zur Befreiung Mumia Abu-Jamals in San Francisco |
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Tageszeitung junge Welt 02.02.02 Siehe auch:
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